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Zur Zulässigkeit einer „pay-when-paid“-Überwälzungsklausel

Generalunternehmer versuchen regelmäßig eine „pay-when-paid“-Klausel zu vereinbaren und damit das wirtschaftliche Risiko, ob und in welcher Höhe der Bauherr Zahlungen leistet, auf seine Subunternehmer zu verlagern. Rechnungen von Subunternehmern werden dann mit dem pauschalen Argument, dass der Bauherr (noch) nicht bezahlt habe, zurückgewiesen. Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise ist jedoch in mehrfacher Hinsicht begrenzt.

Wesen einer Überwälzungsklausel

Der Vertrag zwischen Bauherrn und Generalunternehmer besteht grundsätzlich rechtlich unabhängig vom Vertrag zwischen Generalunternehmer und Subunternehmer; es gilt der sogenannte „Trennungsgrundsatz“. Der Generalunternehmer hat jedoch als Mittelsmann stets ein Interesse daran, die Vertragsverhältnisse aneinander anzupassen, sodass ihn möglichst wenig Risiko trifft. Hierzu ist die Vereinbarung einer Überwälzungsklausel gebräuchlich, mit welcher die Zahlungspflicht des Generalunternehmers gegenüber dem Subunternehmer an die Voraussetzung der Zahlung des Bauherrn geknüpft wird.

Grenzen im Rahmen einer Sittenwidrigkeitsprüfung

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2009 zu 6 Ob 97/09x bereits klargestellt, dass eine solche Risikoverlagerung mittels Überwälzungsklausel nicht per se sittenwidrig ist, also nicht automatisch gegen die guten Sitten verstößt (§§ 864a, 879 ABGB). Im Einzelfall können derartige Vereinbarungen sich jedoch durchaus gegen die guten Sitten verstoßen. Je nach Ausgestaltung kann eine Überwälzungsklausel ein grobes Missverhältnis zwischen den Vertragsparteien begründen: So kann eine bloße Verschiebung der Fälligkeit unter gewissen Voraussetzungen wirksam vereinbart werden, wohingegen die vollständige Überwälzung des Einbringlichkeitsrisikos („paid if paid“) für gewöhnlich gröblich benachteiligend und damit unzulässig ist.

Wenn eine nachteilige und ungewöhnliche Klausel nur in Allgemeinen Vertragsbedingungen oder Vertragsformblättern des Auftraggebers enthalten ist und nicht besonders auf die Klausel hingewiesen wurde, könnte diese bereits gemäß § 864a ABGB nicht wirksam vereinbart sein. Gemäß § 864a ABGB werden überraschende oder nachteilige Bestimmungen in Allgemeinen Vertragsbedingungen oder vorformulierten Vertragsklauseln nicht Vertragsbestandteil, wenn der Vertragspartner mit ihnen nach den Umständen nicht rechnen musste.

Wird die Überwälzungsklausel hingegen Vertragsbestandteil, ist zu prüfen, ob die Klausel gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit verstößt oder den anderen Vertragspartner im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligt. Hierzu sind die Rechtspositionen der Vertragsparteien unter Berücksichtigung allfälliger Vertragsauslegungsfragen gegenüberzustellen und ist eine Interessensabwägung vorzunehmen. Ausgangspunkt für diese Abwägung ist stets das dispositive Recht, also die allgemeine Rechtslage, von der die Vertragsparteien durch individuelle Vereinbarung abweichen. Bei der Beurteilung von „pay-when-paid“-Überwälzungsklauseln ist § 1170 ABGB als Ausgangspunkt heranzuziehen, wonach ein Werklohnanspruch grundsätzlich mit Vollendung des Werks fällig wird. Sollte der Subunternehmer seine Leistungen nicht vertragsgemäß erbringen und der Bauherr aus diesem Grund eine Zahlung verweigern, stehen dem Generalunternehmer Rechtsbehelfe zur Verfügung (Stichwort Gewährleistung, Einwand der mangelnden Fälligkeit, etc). Eine wie auch immer geartete Überwälzung des Einbringlichkeitsrisikos ist im dispositiven Recht jedoch nicht vorgesehen. Unkalkulierbare wirtschaftliche Risiken können nicht wirksam auf den Vertragspartner (Subunternehmer) überwälzt werden. Die Übernahme des Einbringlichkeitsrisikos kann vom Subunternehmer auch nicht seriös kalkuliert werden; dies vor allem dann, wenn ihm der Vertrag zwischen Generalunternehmer und Bauherr nicht offengelegt wird. Es ist schon aus diesem Grund davon auszugehen, dass eine vollständige Überwälzung grundsätzlich ein grobes Missverhältnis zwischen den Vertragsparteien und damit eine Sittenwidrigkeit begründet.

Grenzen im Rahmen der praktischen Anwendung

Selbst wenn eine Überwälzungsklausel in zulässigem Ausmaß vereinbart wurde, darf der Subunternehmer auch durch die konkrete Anwendung der Überwälzungsklausel nicht gröblich benachteiligt werden.

Wie in der oben zitierten OGH-Entscheidung ausgeführt, hat sich ein Generalunternehmer bei Vereinbarung und Anwendung der Überwälzungsklausel „so um die Einbringung des Werklohns zu bemühen, wie dies ein vernünftiger Geschäftsmann in eigenen Angelegenheiten tun würde“. Der Generalunternehmer darf sich sohin nicht einfach zurücklehnen und die Nicht-Zahlung des Bauherrn hinnehmen, sondern muss die Forderung unverzüglich aktiv verfolgen. In Einklang mit einer redlichen Verkehrsübung in der Baubranche ist dabei – wenn über den Weg eines ordnungsgemäßen Mahnwesens kein Erfolg erzielt wird – an Nachverhandlungen und eine außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung zu denken.

Aus der OGH-Entscheidung vom 18.09.2009 ergibt sich zudem, dass bei sonstiger Gefahr gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit zu verstoßen, eine Überwälzungsklausel nicht so ausgelegt und verstanden werden darf, dass die Subunternehmerin – trotz mängelfreier Erbringung ihrer Leistungen und zwischenzeitlicher Übergabe des Gesamtgewerks an die Bauherrin – eine Nichtzahlung des Werklohns hinnehmen muss, wenn die Bauherrin ihre Zahlungen (berechtigter Weise) aufgrund von Mängeln anderer Subunternehmer oder des Generalunternehmers selbst verweigert. Der Subunternehmer hat daher auch bei wirksamer Vereinbarung einer „paid when paid“-Klausel nicht für die mangelhafte Leistung anderer einzustehen. Zulässig bleibt lediglich die Überwälzung des tatsächlichen Ausfallsrisikos des eigenen Leistungsanteils.

Fazit

„Pay-when-paid“-Klauseln sind gemäß der Rechtsprechung nicht per se unzulässig, unterliegen jedoch strengen Voraussetzungen. Als Inhalt einer Individualvereinbarung können sie zwar wirksam vereinbart werden, dürfen aber weder das gesamte Einbringlichkeitsrisiko des Bauherrn auf den Subunternehmer verlagern noch diesen für Mängel anderer haften lassen. Auch bei wirksamer Vereinbarung muss der Generalunternehmer den Werklohn aktiv betreiben und darf sich nicht allein auf die Nichtzahlung des Bauherrn berufen. Für Subunternehmer bedeutet dies: Vertragsklauseln sorgfältig prüfen, insbesondere wenn es um die Fälligkeit des Werklohns geht. Für Auftraggeber und Generalunternehmer wiederum gilt: Eine transparente, faire Vertragsgestaltung schafft Vertrauen – und beugt Konflikten vor.

Markus Androsch-Lugbauer / Margherita Müller

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