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Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2022

Wichtige Novelle des Übernahmegesetzes

3. Oktober 2022

In Folge einer aufsehenerregenden Entscheidung des EuGH, in welcher dieser dem Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen der Übernahmekommission (ÜbK) Unionsrechtwidrigkeit wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit attestierte (EuGH, 09.09.2021, C-546/18), kam es kürzlich zu Änderungen des Übernahmegesetzes. Neben der erforderlichen „Reparatur“ greift die Novelle insbesondere die schon im Regierungsprogramm vorgesehene Liberalisierung des sogenannten Creeping-in auf.

Gegen Bescheide der ÜbK kann nunmehr Rekurs an das OLG Wien erhoben werden. Dieses hat die Regeln des Außerstreitgesetzes anzuwenden und ist berechtigt, die Tatsachenfeststellungen der ÜbK zu überprüfen. Bisher gab es nur das Rechtsmittel an den OGH, dieser überprüfte allerdings nur Rechtsfragen und keine Feststellungen. Dadurch wurde der wesentliche Kritikpunkt des EuGH, die Unüberprüfbarkeit der Tatsachenfeststellungen der ÜbK, beseitigt. Das Rechtsmittel (Rekurs) an das OLG Wien hat aufschiebende Wirkung. Die ÜbK kann die aufschiebende Wirkung aber ausschließen. Gegen die Entscheidung des OLG Wien ist ein Revisionsrekurs an den OGH möglich, wenn er von einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

Die zivilrechtlichen Feststellungsbescheide der ÜbK stellen bisweilen die rechtliche Grundlage für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe durch die ÜbK wegen Verletzung des ÜbG dar. Die Organe des Bieters sind in einem (zivilrechtlichen) Verfahren teilweise nicht Partei. Im nachfolgenden Verwaltungsstrafverfahren sind sie daher an die Feststellungen der ÜbK im (zivilrechtlichen) Vorverfahren nicht gebunden. Durch die Novelle wurde die Möglichkeit geschaffen, dass die ÜbK auch diesen Personen durch Verfahrensanordnung mittels verfahrensökonomischer Ermessensentscheidung Parteistellung gewährt. Damit kann sinnvollerweise zB den Vorstandsmitgliedern des Bieters, der nach dem Feststellungsbescheid zu Unrecht kein Pflichtangebot gestellt hat, Parteistellung im zivilrechtlichen Verfahren gewährt werden. So kann eine sinnvolle Kohärenz zwischen Zivil- und Verwaltungsstrafverfahren geschaffen werden.

Neben diesen verfahrensrechtlichen Aspekten wurden mit der Novelle wie erwähnt auch die Vorgaben zum sogenannten Creeping-in reformiert. Dadurch sollte verhindert werden, dass eine kontrollierende Beteiligung an einer börsenotierten AG im Bereich zwischen 30% und 50% des stimmberechtigten Grundkapitals schrankenlos weiter ausgebaut werden kann. Bisher war der ÜbK unverzüglich mitzuteilen und ein (weiteres) Pflichtangebot zu stellen, wenn eine kontrollierende Beteiligung innerhalb eines beliebigen Zeitraums von zwölf Monaten um mindestens 2% ausgebaut wurde.

Durch die Novelle kommt es hier zu einer Liberalisierung:

  • Nunmehr löst erst ein Beteiligungsausbau von drei Prozentpunkten eine Creeping-in-Angebotspflicht aus.
  • Der maßgebliche Betrachtungszeitraum ist nunmehr das Kalenderjahr.
  • Zukäufe können nun mit Verkäufen saldiert werden, sofern sie jeweils im Betrachtungszeitraum stattgefunden haben.
  • Zudem wurden zwei weitere Ausnahmetatbestände von der Angebotspflicht geschaffen:
    • Der Aktionär verfügt bereits über die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien und hat diese Mehrheit nur vorübergehend und ohne den beherrschenden Einfluss zu verlieren unterschritten.
    • Der Aktionär hat bereits einmal wegen des Vorliegens eines Creeping-in ein Pflichtangebot gestellt und durch den nunmehrigen Erwerb wird keine Mehrheit der stimmberechtigten Aktien erworben.

Mit der Novelle hat der Gesetzgeber endlich die seit dem EuGH-Entscheid im September 2021 fällige Reform des Rechtsmittelverfahrens umgesetzt. Die Liberalisierung der Creeping-in-Vorgaben gibt den Aktionären mehr Raum zum Taktieren, wobei abzuwarten bleibt, wie dies in der Praxis gehandhabt wird. Die gesetzlichen Neuerungen sind bereits (rückwirkend) mit 1. Juli 2022 in Kraft getreten.

Dr. Sebastian Sieder

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