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Vorbehalt darf nicht an Form scheitern

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestätigt das OLG Wien erneut, dass beim Vorbehalt gemäß ÖNORM B 2110 keine unnötigen, vom Normzweck nicht verlangten Hürden aufgebaut werden dürfen, zumal der Grund für die Forderung des Auftragnehmers schon aus der gelegten Rechnung hervorgeht.

Sachverhalt

In der Entscheidung des OLG Wiens (5 R 8/25w) ging es unter anderem um die Anforderungen an einen wirksamen Vorbehalte nach Punkt 8.4.2. ÖNORM B 2110. Die Klägerin (Auftragnehmerin) klagte einen ausständigen Werklohn für ihre Arbeiten ein. Die Beklagte (Auftraggeberin) hatte die Schlussrechnung der Auftragnehmerin in mehreren Punkten gekürzt und argumentierte im Prozess, die Forderungen seien nach Punkt 8.4.2. ÖNORM 2110 verjährt, da die Auftragnehmerin keinen ordnungsgemäßen Vorbehalt gegen die vorgenommenen Kürzungen erhoben habe.

Rechtlicher Rahmen

Punkt 8.4.2. ÖNORM B 2110 besagt, dass wenn der Auftraggeber Abzüge vom Schlussrechnungsbetrag vornimmt, der Auftragnehmer binnen drei Monaten nach Annahme der Zahlung einen Vorhalt erheben muss. Nur, wenn ein Vorbehalt erhoben wurde, können die entsprechenden Forderungen noch innerhalb von drei Jahren ab Fälligkeit der Schlusszahlung geltend gemacht werden.

Ist der Auftragnehmer zur Erhebung eines Vorbehalts verpflichtet und erhebt diesen jedoch nicht, verkürzt die ÖNORM damit die nach § 1486 ABGB geltende, dreijährige Verjährungsfrist ab Fälligkeit, auf drei Monate ab Erhalt der Schlusszahlung, wobei die Frist frühestens mit der schriftlichen Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages (Rechnungskorrektur) durch den Auftraggeber zu laufen beginnt.

Zur Entscheidung

Während die Klägerin bei der Schlussrechnung ihre Forderungen mit umfangreichen Unterlagen belegte, unterließ es die Beklagte in ihrer Rechnungsprüfung, die vorgenommenen Kürzungen aufzuschlüsseln. Von der Übermittlung der üblichen Rechnungsprüfung mit handschriftlichem Abhaken, Streichen und Ausbessern der Einzelpositionen, nahm die Beklagte Abstand.

Der Klägerin blieb daher keine andere Möglichkeit, als die Berechtigung der Kürzungen insgesamt zu bestreiten, ohne konkret auf einzelne Positionen einzugehen – was sie auch tat.

Das OLG hält dazu  unter Verweis auf die Judikatur des OGH fest, dass die Anforderungen an den Auftragnehmer bei der schriftlichen Begründung des Vorbehaltes nicht überspannt werden dürfen. Wenn der Vorbehalt die gekürzten Ansprüche in erkennbarer Weise individualisiert und zumindest durch schlagwortartige Hinweise den Standpunkt des Auftragnehmers erkennen lässt, tritt keine Verfristung des Werklohnanspruches ein.

Im Ergebnis war der Vorbehalt der Klägerin daher wirksam – eine Verfristung trat nicht ein.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Wien liefert erneut eine Klarstellung zugunsten von Auftragnehmern: Ein Vorbehalt darf nicht an überhöhten Formanforderungen scheitern. Wer seine Forderung klar erkennbar aufrechterhält und diese belegt, verliert den Anspruch nicht, wenn der Auftraggeber keine prüffähigen Kürzungsdarstellungen vorlegt, die einen detaillierteren Vorbehalt zulassen. Für einen wirksamen Vorbehalt kommt es nicht auf formale Strenge an, sondern darauf, dass für den Auftraggeber unmissverständlich erkennbar wird, dass der Anspruch begründet ist und weiterhin geltend gemacht wird.

Praxistipp

Der Vorbehalt gegen Rechnungskürzungen durch den Auftraggeber sollte unverzüglich (längstens binnen drei Monaten) und schriftlich erhoben werden. Es muss klar erkennbar sein, welche gekürzten Beträge weiterhin gefordert werden (sofern möglich, Benennung der betroffenen Positionen), und aus welchem Grund sie gefordert wreden (knappe Darstellung des Grundes, durchaus unter Verweis auf bereits übermittelte Unterlagen). Weiters sollte festgehalten werden, dass der Anspruch trotz allenfalls laufender Gespräche bestehen bleibt.

Bernhard Kall

Artikel aus der Österreichischen Bauzeitung 08 2025 als Download.