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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 2|2022

Verspätete Ad-hoc-Meldung durch ein Pharmaunternehmen nach Widerruf der Zulassung von Arzneimitteln

18. Februar 2022

Verwaltungsstrafen in Folge von Verletzungen der Ad-hoc-Pflicht (Art 17 Marktmissbrauchsverordnung) sieht man in der Praxis einigermaßen regelmäßig. Zuletzt hatte sich in Österreich wieder einmal das BVwG mit der Ad-hoc-Pflicht zu beschäftigen. Ein im (früheren) mid market der Wiener Börse zugelassener Pharmakonzern bekam die Bewilligung zur Produktion und zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln widerrufen. Vorangegangen war eine vom Bundesamt für Gesundheitswesen erhaltene Kommunikation dahingehend, dass ein Bewilligungswiderruf betreffend einzelne Arzneimittel erfolgen werde und dass die Emittentin generell an ihrem Produktionsstandort erst nach Durchführung einer Grundreinigung wieder produzieren werden dürfen; Ausgangspunkt des Verfahrens vor der nationalen Behörde war eine festgestellte Verunreinigung seitens der europäischen Arzneimittelbehörde; welche Arzneimittel der Emittentin genau betroffen sein werden, wusste die Emittentin zum Zeitpunkt dieser Kommunikation seitens der Behörde noch nicht; es war auch der entsprechende Bescheid noch nicht ausgestellt, der Emittentin wurde allerdings ein Entwurfsbescheid vorgestellt. Unabhängig von der späteren Bescheidausstellung sei in der Behördenkommunikation bereits eine präzise, kursrelevante Information vorgelegen, meinte das BVwG, welches über ein Straferkenntnis der FMA wegen verspäteter Ad-hoc-Meldung zu entscheiden hatte. Das Gericht begründete sein Erkenntnis wie folgt:

  • Auch wenn noch nicht völlig klar war, wann es zum Widerruf kommen wird und welche Medikamente davon genau betroffen sein werden, ist die Information, dass es zumindest zu einem teilweisen Widerruf der Bewilligung kommen wird, präzise im Sinne der MAR. In welchen Bereichen Einschränkungen erfolgen werden war dem Vorstand der Emittentin laut Sachverhalt offenbar im Wesentlichen bewusst, weshalb diese Einschätzung des BVwG nicht verwundert.
  • Die Information, dass es in einem Kerngeschäft eines Pharmaunternehmens, der Arzneimittelherstellung, zu einem behördlichen Bewilligungswiderruf kommen wird, ist für den Markt eine wesentliche Information. Dadurch wird dem Markt signalisiert, dass eine ordnungsgemäße Herstellung derzeit nicht sichergestellt ist, was gerade bei einem Pharmaunternehmen, das einen wesentlichen Beitrag zum Gesundheitswesen leistet, zu einem großen öffentlichen Interesse führt.
  • Ein verständiger Anleger würde (auch deswegen) auch unter Einpreisung eines gewissen Unsicherheitsfaktors mangels Kenntnis der exakten Medikamente die Information über einen bevorstehenden Bewilligungswiderruf als Grundlage für seine Anlageentscheidung nutzen, zumal ein auch nur teilweiser Widerruf der Bewilligung Auswirkungen auf das Ergebnis der Emittentin haben wird.

Die Einschätzung ist insgesamt nachvollziehbar. Tatsächlich kam es am Tag der (verspäteten) Bekanntgabe zu einem 11%igen-Kurseinbruch. Dies ist nach Judikatur und Behördenpraxis freilich nur ein Indiz und die Beurteilung der Kursrelevanz bekanntlich ex ante vorzunehmen.

Die Emittentin hatte es im gegenständlichen Verfahren übrigens auch mit verfassungsrechtlichen Argumenten versucht: § 155 BörseG sei verfassungsrechtlich bedenklich, weil es sich dabei um eine Blankettstrafnorm handle. Eine solche sei nur zulässig, wenn die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig sei, dass jeder berechtigte Zweifel über den Inhalt des pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen sei. Das sei bei Art 7 und 17 MAR nicht der Fall; vielmehr sei es den Rechtsunterworfenen geradezu unmöglich, den exakten Zeitpunkt des Entstehens einer Insiderinformation festzustellen. Das BVwG sah damit im Wesentlichen eine mangelnde Bestimmtheit von Art 7 MAR moniert, teilte die Ansicht der Emittentin jedoch nicht. Auch das ist nicht verwunderlich, weil zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung schon durch EuGH und VwGH so judiziert.

Mag. Gernot Wilfling

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