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Newsletter Erbrecht und Vermögensnachfolge Issue 1|2022

Verjährungsbeginn des Pflichtteilsanspruchs teilweise geklärt

10. März 2022

1. Einleitung

Mit dem Erbrechtrechtsänderungsgesetz 2015 kam es zu zahlreichen Neuerungen im Pflichtteilsrecht. Unter anderem ist davon auch die Bestimmung über die Verjährung von erbrechtlichen Ansprüchen erfasst. Diese ist nunmehr einheitlich in § 1487a ABGB neu geregelt. Diese Bestimmung kombiniert eine dreijährige subjektive mit einer dreijährigen objektiven Frist. Letztere stellt auf Tatsachen (zB Abstammung, Todesfall, letztwillige Verfügung) ab, erstere auf die Kenntnis von diesen Tatsachen.

Neben der neu eingeführten Verjährungsregelung, kam es mit dem ErbRÄG 2015 zu einer weiteren Neuerung. Nach § 765 Abs 2 ABGB kann der Pflichtteilsberechtigte den Geldpflichtteil erst ein Jahr nach dem Tod des Erblassers fordern. In der Literatur war umstritten, ob diese Bestimmung als bloße Vollstreckungssperre zu verstehen ist oder eine Klagssperre darstellt. In weiterer Folge war unklar, wie sie sich in der Folge auf den Verjährungsbeginn auswirkt.

2. Die Entscheidung des OGH (25.11.2021, 2 Ob 117/21a)

Diese Frage hat der OGH nunmehr geklärt. § 765 Abs 2 ABGB ist im Ergebnis nur eine Vollstreckungssperre. Nur die Zahlungspflicht des Pflichtteilsschuldners wird aufgeschoben, nicht aber die Einleitung des Pflichtteilsprozesses.

Sollte ein Pflichtteilsprozess (unwahrscheinlicherweise) vor Ablauf der Jahresfrist beendet sein, stünde dem Pflichtteilsschuldner dennoch die gesamte Jahresfrist zur Verfügung, bis er zur Leistung des Geldpflichtteils verpflichtet wäre. Einer Klagssperre bedarf es nicht, um die vom Gesetzgeber intendierte Zielsetzung zu erreichen. Schon eine Vollstreckungssperre genügt, damit dem Pflichtteilsschuldner genug Zeit für die Beschaffung der Mittel bleibt und ihn vor einer wirtschaftlichen Überforderung zu schützen.

Neben dem berechtigten Schutzgedanken dem Pflichtteilsschuldner gegenüber, verdient auch der Pflichtteilsgläubiger einen Schutz vor Verkürzung des Zeitraums, in dem er Klage erheben kann. Eine Pflichtteilsklage vor Ablauf der Jahresfrist wird nämlich auch für den Gläubiger im Regelfall unzumutbar sein. Insbesondere wird sie ihm dann unnötig erscheinen, wenn der Schuldner grundsätzlichen Leistungswillen signalisiert, aber die Höhe vorerst noch unklar ist oder (zumindest) den von § 765 Abs 2 ABGB gewährten Aufschub in Anspruch nehmen will. In diesem Fall liegt es für den Gläubiger nahe, mit der Klage bis zum Ablauf der Jahresfrist zu warten. Wenn dann ein Teil der Verjährungsfrist schon verstrichen wäre, bedeutete das eine durch die Wertung des § 765 Abs 2 ABGB nicht gedeckte Verkürzung der Verjährungsfrist.

Die für die Praxis schwierigen Fragen, wann die für das Bestehen des Pflichtteilsanspruchs maßgebenden Umstände vorliegen bzw welche diese überhaupt sind oder dem Gläubiger zur Kenntnis gelangen, ist damit nur noch von untergeordneter Bedeutung. Ein Jahr nach dem Tod des Erblassers werden die Pflichtteilsberechtigten diese Umstände nämlich in der Regel kennen.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt daher frühestens vier Jahre nach dem Tod des Erblassers.

3. Fazit

Aus Sicht der Praxis ist diese durch den OGH herbeigeführte Vereinfachung jedenfalls zu begrüßen. Nicht übersehen werden darf freilich, dass die mögliche Inanspruchnahme des Pflichtteilsschuldners für einen Zeitraum von zumindest vier Jahren, wiederum zu einer erhöhten wirtschaftlichen Belastung des Schuldners führen kann. Für diesen Zeitraum müsste ein ordentlicher Schuldner jedenfalls Vorsorge treffen, allfällig andrängende Gläubiger befriedigen zu können.

Das Erbrechtsteam von Müller Partner Rechtsanwälte berät und unterstützt bei der gerichtlichen Durchsetzung von Pflichtteils(ergänzungs)ansprüchen. Gerne stehen wir für eine umfassende Beratung persönlich, wie auch telefonisch oder per Videokonferenz, zur Verfügung.

DDr. Katharina Müller, TEP
Dr. Martin Melzer, LL.M.

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