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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 1|2023

Portfolioverwaltung: Haftungsvermeidung durch Business Judgment Rule!

20. März 2023

Während Anlageberater:innen häufig zum Handkuss kommen, gibt es wenig Judikatur und Literatur zur Haftung von Portfolioverwalter:innen. Wir geben in diesem Beitrag einen kurzen Überblick über mögliche Haftungsauslöser bei der Portfolioverwaltung. Diese unterscheidet sich von der Anlageberatung bekanntlich dadurch, dass Portfolioverwalter:innen in eigener Diskretion das Vermögen der Kund:innen (des-)investieren, während der/die Anlageberater:in Kund:innen „nur“ Anlagetipps gibt und die Entscheidung über das (Des-)Investment bei den Kund:innen verbleibt.

Bei einer verlustbringenden Portfolioverwaltung können Schadenersatzansprüche von Anleger:innen einerseits in Richtung „unzureichende Aufklärung und Beratung beim Vertragsabschluss bzw bei Vereinbarung der Anlagerichtlinien“ argumentiert werden. Unter Umständen, nämlich wenn es im Zuge der Portfolioverwaltung auch zu Beratung gekommen ist, scheint auch Fehlberatung während der Laufzeit des Portfolioverwaltungsvertrages nicht gänzlich ausgeschlossen. Im Fokus soll hier aber stehen, unter welchen Voraussetzungen der/die Portfolioverwalter:in für „schlechte“, in eigener Diskretion vorgenommene Veranlagungsentscheidungen einzustehen haben könnte.

Bei solchen Veranlagungsentscheidungen bezieht sich der Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens natürlich auf die Durchführung der Portfolioverwaltung selbst. Die Thematik wurde in Österreich bislang wenig diskutiert. Die zentrale Handlungsmaxime für Portfolioverwalter:innen bei Veranlagungsentscheidungen ist die strikte Ausrichtung am erkennbaren individuellen Anlageinteresse der Kund:innen. Besondere Bedeutung hat der Rahmen, der dem/der Portfolioverwalter:in durch Portfolioverwaltungsvertrag, Anlagerichtlinien und Weisungen der Kund:innen für die Veranlagungsentscheidungen vorgegeben wird. Veranlagungsentscheidungen außerhalb des vorstehend beschriebenen Rahmens sind pflichtwidrig und begründen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Schadenersatzansprüche des/der Kund:in.

Für verlustbringende Veranlagungsentscheidungen innerhalb des Rahmens, der mit dem/der Kund:in als Anlagestrategie vereinbart wurde, besteht ein haftungsfreier Ermessensspielraum zu Gunsten des/der Portfolioverwalters:in. Und hier begegnet uns eine alte Bekannte aus dem Gesellschaftsrecht. In Anlehnung an die Business Judgment Rule soll laut Literatur auf folgende Kriterien abzustellen sein:

(i) Veranlagungsentscheidung steht aus einer ex ante Sicht betrachtet in Einklang mit den ordnungsgemäß erhobenen erkennbaren Interessen des/der Anleger:in.

(ii) Entscheidung erfolgt im guten Glauben, im Interesse des/der Anleger:in zu handeln, ohne Einfluss von Eigen- oder Drittinteressen.

(iii) Portfolioverwalter:in handelt bei der Veranlagungsentscheidung auf Grundlage einer sorgfältigen Vorbereitung und einer angemessenen Information, wobei der Standard der Branche im Zeitpunkt der Entscheidung die maßgebende Richtschnur ist.

Nachdem mit der Einschätzung der Folgen einer Anlageentscheidung für das Kundenportfolio stets eine Prognose und damit ein unkalkulierbares Restrisiko verbunden ist, reicht es aus, wenn der/die Portfolioverwalter:in im Zeitpunkt der Veranlagungsentscheidung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit annehmen musste, nicht im Interesse des/der Kund:in zu handeln. Für verlustbringende Veranlagungsentscheidungen, die sich innerhalb der vereinbarten Anlagerichtlinien bewegen, kann ein/eine Portfolioverwalter:in somit zwar grundsätzlich haftbar gemacht werden, dies aber nur bei Verstoß gegen die soeben genannten Kriterien für seine/ihre auf Ermessen beruhenden Veranlagungsentscheidungen. Wichtig ist hier freilich, wie so oft, die Entscheidungsprozesse und die zu Grunde liegenden Überlegungen zu dokumentieren, für den Fall der Fälle gewappnet zu sein.

Dr. Sebastian Sieder

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