MP-Law-Logo weiß

OGH: Verkehrsbedingte Vibrationen in der Dachgeschosswohnung berechtigen zur Preisminderung

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat kürzlich entschieden, dass Schwingungen in der Dachgeschosswohnung, die durch den Verkehr auf der nahegelegenen Straße verursacht werden, den Erwerber zur Preisminderung berechtigen.

Zum Sachverhalt

Der in der Nähe des Gebäudes vorbeifahrende Schwerverkehr verursacht infolge einer Unebenheit der Straße sowie zweier Straßenkappen Erschütterungen, die im Bereich des Dachgeschossausbaus – konkret in der Dachgeschosswohnung des Klägers – zu spürbaren Schwingungen führten. Es wurde festgestellt, dass diese Erschütterungen die Eigenfrequenz des mit einem Stahltragwerk errichteten Dachgeschosses erheblich anregen. Das ungünstige Verhältnis zwischen den durch den Verkehr ausgelösten Anregungsfrequenzen und der Bauwerkseigenfrequenz führte im Ergebnis zu einer Resonanzverstärkung, welche die Erschütterungen in der Wohnung zusätzlich intensivierte. Nach der Übergabe der Dachgeschosswohnung kam es dadurch, auch während der Nachtstunden, regelmäßig zu Schwingbeschleunigungen, die die zulässigen Grenzwerte gemäß ÖNORM S 9012 (ÖNORM zur Beurteilung von Immissionen, die durch den Schienen- und Straßenverkehr transienter Schwingungsemissionen in Gebäuden verursacht werden) deutlich überschreiten.

Der Kläger begehrte Preisminderung in Höhe von EUR 40.000. Er begründete seinen Anspruch damit, dass die Wohnung aufgrund der massiven Erschütterungen für Wohnzwecke ungeeignet sei. Da die Verkäuferin eine Mängelbehebung ablehnte, sei der Verkehrswert der Wohnung um EUR 40.000 zu mindern.

So entschied der OGH

Der OGH bestätigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes und hielt nochmals fest, dass der Verkäufer beim Wohnungsverkauf dafür haftet, dass die Wohnung die gewöhnlich vorausgesetzten oder ausdrücklich zugesicherten Eigenschaften aufweist. Eine mangelhafte Leistung liegt vor, wenn die Sache qualitativ oder quantitativ nicht dem Vertrag entspricht. Ob die Erschütterungsfreiheit des Wohnungseigentumsobjektes als übliche oder unübliche Eigenschaft zu qualifizieren ist, beurteilt sich nicht nach dem Willen des Verkäufers, sondern nach den berechtigten Erwartungen des Käufers.

Zu den Erschütterungen aufgrund des Schwerverkehrs hielt der OGH weiters fest, dass der Erwerber einer neu errichteten Dachgeschosswohnung selbst in städtischer Lage erwarten darf, dass innerhalb der Wohnung Erschütterungen weder deutlich noch dauerhaft spürbar sind. Das Zusammentreffen von mangelhafter Straßenbeschaffenheit und baulicher Resonanzwirkung stellt einen Mangel dar. Dies vor allem dann, wenn äußere Umstände am Mangel mitwirken und diese externen Faktoren in Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Kaufobjektes stehen. Somit werden auch äußere Einflüsse aus der Umgebung (z. B. Aussicht, Ruhelage) vom OGH als relevante Eigenschaften anerkannt, wenn sie zum Vertragsinhalt erhoben wurden oder vom Käufer berechtigterweise erwartet werden durften.

Für den Anspruch auf Preisminderung ist es zudem unerheblich, ob die Erschütterungen durch eine Sanierung der Straße künftig beseitigt werden könnten. Wesentlich ist, dass der Mangel im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Nachträgliche Verbesserungen beeinflussen allenfalls die Höhe, nicht aber den Anspruch auf Preisminderung.

Fazit

Als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft kann beim Kauf einer Eigentumswohnung in örtlicher Nähe zu einer stark befahrenen Straße jedenfalls erwartet werden, dass es in der Wohnung zu keinen, die gewöhnliche Nutzung erheblich beeinträchtigenden Schwingungen bzw. Vibrationen aufgrund des Straßenverkehrs kommt. Auch externe Faktoren, wie die Umgebungsqualität – selbst wenn der Gewährleistungspflichtige darauf keinen Einfluss hat – können im Einzelfall zur Beurteilung der Mangelhaftigkeit herangezogen werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Objekt zum Zeitpunkt seiner Herstellung und Übergabe dem Stand der Technik entsprach.

Praxistipp:

Die Entscheidung des OGH unterstreicht einmal mehr, dass bereits in der Planungsphase eines Bauvorhabens objektive Umweltbedingungen – wie etwa Straßenverkehr, Resonanzeffekte oder die Nähe zu Bahnhöfen oder U-Bahn-Stationen – bautechnisch berücksichtigt werden müssen (z.B. durch Maßnahmen wie Schwingungsentkopplung oder Schallschutz). Bei der Vertragsgestaltung ist daher sorgfältig darauf zu achten, welche Eigenschaften ausdrücklich zugesichert werden und welche nicht. Ebenso ist zu prüfen, inwieweit Umwelteinflüsse oder Immissionen, die vertraglich zugesicherten oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften mitbestimmen könnten. In diesem Zusammenhang ist bei der Projektbeschreibungen darauf zu achten, realistische Angaben zu machen, um keine unbeabsichtigten Erwartungen (z.B. „ruhige Lage“) zu wecken, die sodann als zugesicherte Eigenschaft ausgelegt werden kann.

Christoph Gaar

Markus Androsch-Lugbauer

Artikel Download