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Newsletter Start-ups und Wachstumsfinanzierung Issue 1|2023

Die Restrukturierungsordnung (ReO) – Eine Alternative zur Insolvenz

7. Juli 2023

Die Wahrscheinlichkeit der Sanierung eines Unternehmens ist am höchsten, wenn sie früh genug in Anspruch genommen wird. Seit einiger Zeit ist es für alle Unternehmen (mit Ausnahme des Finanzsektors) einschließlich KMUs möglich, noch vor der Insolvenz ein sogenanntes Restrukturierungsverfahren zu eröffnen. In Umsetzung einer EU-Richtlinie wurde mit der Restrukturierungsordnung („ReO“) ein neues Gesetz geschaffen, welches einem Verfahren zur präventiven Restrukturierung von Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten dient.

Ein Restrukturierungsverfahren kann dann eröffnet werden, wenn bereits eine „wahrscheinliche Insolvenz“ vorliegt. Diese ist mit bereits bekannten Größen aus der Insolvenzordnung definiert: (i) drohende Zahlungsunfähigkeit, die sich im Liquiditätsplan in den nächsten 12 Monaten abzeichnet, und (ii) die Eigenmittelquote sinkt unter 8% und die fiktive Schuldentilgungsdauer beträgt mehr als 15 Jahre.

Österreich hat sich bei der Umsetzung der Restrukturierungs- und Insolvenz-RL für das Antragsprinzip entschieden – ähnlich wie beim Sanierungsverfahren: Der/Die Schuldner:in kann einen Antrag auf Restrukturierung stellen. Grundsätzlich behält der/die Schuldner:in in Form der Eigenverwaltung die Kontrolle über sein/ihr Vermögen und den Betrieb seines/ihres Unternehmens. Die Kontrolle kann vom Gericht durch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten eingeschränkt werden.

Die ReO weist viele Parallelen zur IO auf; es gibt aber einige doch wesentliche Unterschiede. Gläubigerschutzverbände haben keine Rolle in der Restrukturierungsordnung, außer sie werden vom/von der Schuldner:in beigezogen. Das Verfahren wird zudem nur auf Antrag des/der Schuldners/Schuldnerin öffentlich bekannt gemacht. Die Nichtveröffentlichung ist ein Vorteil, birgt aber andererseits auch den Nachteil, dass nur ein veröffentlichtes Verfahren im Rahmen der europäischen Insolvenzverordnung anerkannt wird. Die Wirkung bei Nichtveröffentlichung des Verfahrens ist somit auf Österreich beschränkt. Grundsätzlich ist das Aufstellen eines Restrukturierungsplans vorgesehen, der formell dem Sanierungsplanantrag nachgebildet ist. Bei Antragsstellung kann aber auch nur ein grobes Konzept vorgelegt werden. Diesfalls wird dem/der Schuldner:in ein/e Restrukturierungsbeauftragte/r zur Seite gestellt und das Verfahren wird dadurch eventuell länger.

Speziell am Restrukturierungsverfahren ist, dass man nicht alle Gläubiger:innen einbeziehen muss. Die Restrukturierungsordnung unterscheidet also zwischen den betroffenen Gläubiger:innen (welche vom Restrukturierungsplan umfasst sind) und jenen, die nicht betroffen sind. Der/Die Schuldner:in wählt die Gläubiger:innen im Restrukturierungsverfahren selbst aus. Bei der Auswahl hat er/sie allerdings sachliche Gesichtspunkte walten zu lassen. Ein willkürlicher Ausschluss von Gläubiger:innen ist daher auch im Restrukturierungsverfahren nicht erlaubt. Die Gläubiger:innen werden sodann in Klassen unterteilt. In jene der besicherten und unbesicherten Gläubiger:innen, der Anleihegläubiger:innen, schutzbedürftiger und nachrangiger Gläubiger:innen. KMUs sind von der Pflicht zur Bildung der Gläubiger:innenklassen ausgenommen, können dies aber freiwillig tun. Die Gläubiger:innenklassen müssen dem Restrukturierungsplan zustimmen. Erforderlich ist eine Kopf- und Forderungsmehrheit von 75% in jeder Klasse. Wird in gewissen Klassen diese Zustimmung verweigert, kann das Gericht auf Antrag des/der Schuldners/Schuldnerin in einem sog. Cram-down-Verfahren den Plan trotzdem zulassen. Diesfalls ist die Bestellung eines/r Restrukturierungsbeauftragten auf jeden Fall erforderlich.

Im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens gibt es keine Vertragsauflösung und keine Prozesssperren. Damit ein Restrukturierungsplan nicht durch diverse Gläubiger:innen willkürlich vereitelt wird, steht dem/der Schuldner:in auf Antrag eine Vollstreckungssperre zur Verfügung. Während eines Zeitraums von drei bis sechs Monaten, darf keine Exekution geführt werden, kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden, weiters gilt eine Insolvenzsperre für Überschuldung und Gläubiger:innen können ihre Forderungen nicht fällig stellen, abändern oder auflösen.

Das Gericht hat die Sperre auf bestimmte Gläubiger:innen oder Gläubiger:innenklassen zu beschränken. Die (beschränkte) Sperre gilt nur für Gläubiger:innen, die über die Vollstreckungssperre in Kenntnis gesetzt wurden und wirkt ab Zustellung an diese.

Unter gewissen Voraussetzungen kann das Gericht von der Vollstreckungssperre absehen. Immer dann, wenn diese nicht erforderlich oder der Verhandlung über den Restrukturierungsplan nicht dienlich ist bzw auch dann, wenn der/die Schuldner:in zahlungsunfähig ist.

Eine Verlängerung der drei bis sechs Monatsfrist ist dann möglich, wenn die Verhandlung über den Restrukturierungsplan in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann oder wenn der Restrukturierungsplan schon abgeschlossen ist, die Bewilligung des Gerichts aber noch fehlt.

Auf Antrag des/der Schuldners/Schuldnerin besteht zudem die Möglichkeit eines vereinfachten Restrukturierungsverfahrens. In diesem vereinfachten Verfahren dürfen nur Finanzgläubiger:innen betroffen sein und mindestens 75% von ihnen müssen in der jeweiligen Gläubiger:innenklasse dem Restrukturierungsplan zugestimmt haben. Der Begriff Finanzgläubiger:in ist weiter zu sehen als nur Forderungen von Kredit- und Leasinginstituten, sondern umfasst sämtliche Forderungen mit Finanzierungscharakter, also typischerweise zinstragende Forderungen, Forderungen aus Anleihen und anderen vergleichbaren Instrumenten, ebenso zB Darlehen von institutionellen Fonds, Privatpersonen oder Forderungen von Lieferant:innen mit untypisch langen Laufzeiten (mehr als 180 Tage), welche eindeutig Finanzierungscharakter aufweisen. Auch nachrangige Gläubiger:innen können Finanzgläubiger:innen sein, insbesondere Gläubiger:innen aus dem Gesellschafter:innenkreis nach dem EKEG. Nach Einvernahme der betroffenen Gläubiger:innen hat das Gericht über die Bestätigung des Restrukturierungsplans zu entscheiden (ohne Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens).

Matthias Konrad, LL.M.

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