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Newsletter Corporate/M&A Issue 2|2023

„Eheverträge“ im Gesellschaftsrecht: Warum Syndikatsverträge so weit verbreitet sind und was aus rechtlicher Sicht dabei zu beachten ist

2. Juni 2023

Neben der Satzung bzw dem Gesellschaftsvertrag schließen Aktionär:innen von AGs und Gesellschafter:innen von GmbHs gern gesonderte Vereinbarungen über ihr Verhältnis als Co-Eigentümer:innen der Gesellschaft ab. Derartige Vereinbarungen werden häufig als „Syndikatsvertrag“ bezeichnet. Inhalte sind bunt gestreut. Ein Klassiker ist die Koordinierung von Stimmabgaben in der General- bzw Hauptversammlung (wenn dies der einzige Inhalt ist, spricht man auch gern von Stimmbindungsvertrag). Geregelt werden aber mitunter auch Entsende- bzw Nominierungsrechte in/für Gesellschaftsorgane (Geschäftsführer:innen, Aufsichtsrät:innen, Vorständ:innen), spezielle Zustimmungserfordernisse (Vetorechte für einzelne Eigentümer:innen oder erhöhte Beschlussmehrheiten innerhalb des Syndikats), Vorkaufs- und Aufgriffsrechte, Mitverkaufsrechte und -pflichten, Deadlock-Prozedere, Gewinnverwendung, Gewinn- und/oder Veräußerungserlösvorzüge, zusätzliche Finanzierungsverpflichtungen, Mitarbeitspflichten (inklusive „Leaver-Bestimmungen“, Informations- und Berichtspflichten und Vieles mehr. Der Syndikatsvertrag ist also so ein bisschen das gesellschaftsrechtliche Pendant zum Ehevertrag im Familienrecht.

Dass man neben Satzung bzw Gesellschaftsvertrag noch ein weiteres, häufig ganz zentrales Vertragswerk stellt, hat mehrere Gründe. Zum einen sind Syndikatsverträge, anders als Satzungen bzw Gesellschaftsverträge, nicht beim Firmenbuchgericht einzureichen, was deren Geheimhaltung erleichtert (bzw eigentlich erst ermöglicht). Manche Inhalte wären, insbesondere bei der AG aufgrund des (was Reichweite und Details betrifft höchst umstrittenen) Prinzips der Satzungsstrenge, in Satzung/Gesellschaftsvertrag mitunter auch nicht regelbar. Und nicht zuletzt können Syndikatsverträge zwar zwischen allen Eigentümer:innen abgeschlossen werden (sogenannte „omnilaterale“ Syndikatsverträge), müssen dies aber nicht. Gerade dort, wo es rein um die Koordinierung des Stimmverhaltens geht, sind häufig nur einzelne Aktionär:innen/Gesellschafter:innen Partei.

Syndikatsverträge unterliegen keinen besonderen Formvorschriften und können sogar mündlich abgeschlossen werden (was aus Beweisgründen selbstverständlich nicht ganz optimal ist). Zu beachten sind jedoch einige Ausnahmen, zB im Zusammenhang mit der Verfügung über Geschäftsanteile an GmbHs, die bekanntlich der Notariatsaktform bedürfen (daher sind etwa Syndikatsverträge, die Optionen oder Aufgriffsrechte für bestimmte Gesellschafter:innen vorsehen, zwingend in Notariatsaktsform zu errichten).

Syndikatsverträge führen zu Dauerschuldverhältnissen und sind in der Regel als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren. Sie entfalten bloß schuldrechtliche Wirkungen im Innenverhältnis. Dies bedeutet, dass an die Regelungen (anders als an jene in Satzungen/Gesellschaftsverträgen) nur die Parteien gebunden sind. Aus diesem Grund schreibt man mitunter, insbesondere bei der GmbH, Regelungen betreffend die Veräußerung von Anteilen wie Vorkaufs- und Aufgriffsrechte, Mitverkaufsrechte und –pflichten auch bzw zusätzlich auch in den Gesellschaftsvertrag. Und wenn man die Kenntnisnahme der betroffenen Gesellschaft (sozusagen des gemeinsamen „Kindes“) sicherstellen oder dieser gar Pflichten auferlegen will, nimmt man die Gesellschaft auch mit als Vertragspartei des Syndikatsvertrags auf.

Zur Sicherung der Rechte aus Syndikatsverträgen werden häufig Vertragsstrafen für den Fall des Verstoßes vorgesehen. Seltener gibt es diesfalls sogar Optionen der verletzten Syndikatspartner:innen, die Anteile des/der Verstoßenden aufzugreifen. Dennoch kommt es mitunter (gar nicht so selten) vor, dass Syndikatsverträge verletzt werden, häufig durch syndikatswidrige Stimmabgabe in der General- bzw Hauptversammlung. Was dann? Syndikatswidrige Stimmabgaben sind zwar grundsätzlich gültig. Der OGH anerkennt jedoch (unter bestimmten Umständen) in ständiger Rechtsprechung eine Anfechtungsmöglichkeit. Dies insbesondere, wenn ein omnilateraler Syndikatsvertrag vorliegt und die Gesellschaft eine personalistisch ausgeprägte Struktur aufweist. Anfechten kann man natürlich auch immer dann, wenn ein Syndikatsvertrag im Einzelfall ohnehin nur konkretisiert, was sich für die Eigentümer:innen aus gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten ohnehin auch ergibt (und sich somit im Prinzip aus dem Gesetz ergibt). Ist der Verstoß schon passiert, kann man ansonsten natürlich wegen Vertragsbruchs Schadenersatz vom/von der verletzenden Vertragspartner:in verlangen. Und weiß man im Einzelfall schon vorab, dass ein syndikatswidriger Beschluss gefasst wird, etwa aufgrund einer Einberufung zu einer Versammlung mit einem entsprechenden Tagesordnungspunkt, kann man auch Unterlassung (unbedingt mit einstweiliger Verfügung) verlangen.

Der OGH hatte sich übrigens schon mehrfach mit der Durchsetzung, aber auch mit der Auslegung von Syndikatsverträgen zu beschäftigen. Dazu finden Sie in unserem Newsletter-Archiv schon Einiges. Zur Erinnerung: Kürzlich wurde der Gesellschafterausschluss, also der Squeeze-out, vom Höchstgericht als zustimmungspflichtige „Umgründungsmaßnahme“ interpretiert.

Besondere Vorsicht ist beim „Hantieren“ mit Syndikatsverträgen geboten, wenn es um Aktien an Gesellschaften geht, die zum Handel an einem geregelten Markt wie dem Amtlichen Handel der Wiener Börse zugelassen sind. In diesem Fall gelten sowohl die börserechtliche Beteiligungspublizität als auch das Übernahmegesetz, die sehr komplexe Regelungen zur Zurechnung von Stimmrechten und Aktienbesitz haben. Es ist daher äußerst wichtig, dass Aktionär:innen bei jedem Abschluss von Syndikatsverträgen und bei jeder Änderungsentscheidung die potenziellen Auswirkungen auf meldepflichtigen Beteiligungsschwellen sowie die mögliche Verpflichtung zur Legung eines Übernahmeangebots im Hinterkopf haben.

Insgesamt kann man sagen, dass sich Syndikatsverträge sehr gut dazu eignen, vertrauliche Absprachen zwischen den Gesellschafter:innen zu ermöglichen. Aufgrund der flexiblen Gestaltungmöglichkeiten können die Gesellschafter:innen sehr vielfältige, an ihre Bedürfnisse angepasste Regelungen treffen. Auf diese Weise können Gesellschafter:innen die Einflussmöglichkeiten unabhängig von den tatsächlichen Beteiligungsverhältnissen wesentlich vergrößern oder auch vermindern bzw. die Position der Minderheitsgesellschafter:innen verstärken (beispielweise mit der Einräumung eines Entsendungsrechts in den Aufsichtsrat). Syndikatsverträge zu entwerfen und zu verhandeln gehört quasi zu unserem täglichen Brot. Wir unterstützen selbstverständlich auch Sie gern dabei!

Mag. Gernot Wilfling / Dominika Szanto

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