MP-Law-Logo weiß

Kunstsammlung fällt nicht in das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (OGH vom 29.07.2025, 2 Ob 38/25i)

  • Sachverhalt

Die Klägerin ist die Witwe des im Jahr 2017 verstorbenen Erblassers und hat mit diesem bis zu seinem Tod in einem gemeinsamen Haushalt in dessen Eigentumswohnung gelebt.

Der Erblasser war ein in der Kunstszene bekannter österreichischer Kunstkenner und -sammler. In der Ehewohnung befanden sich zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers mehr als 50 Bilder im Wohnzimmer, rund 80 Bilder im Vorzimmer und mehr als 70 Gemälde nicht sichtbar auf drei Stellagen bzw. in Schränken und Laden in der Wohnung.

Zwar stand für den Erblasser immer die Leidenschaft für das Kunstsammeln im Vordergrund. Der Erblasser kaufte Objekte jedoch auch gezielt zum An- und Verkauf, um Gewinne zu erzielen, achtete auf Wertsteigerungen, organisierte Vernissagen in seiner Wohnung, um seine erworbenen Kunstgegenstände zu präsentieren und sich auszutauschen, verlieh immer wieder Werke an Museen oder stellte sie für Kunstauktionen zur Verfügung und mietete im Laufe der Zeit aufgrund der Vielzahl der Objekte auch mehrere Lager zur Unterbringung an, da in der Wohnung nicht mehr genug Platz für einige Objekte war.

Die Klägerin begehrte gestützt auf das gesetzliche Vorausvermächtnis ua auch die Herausgabe der Kunstwerke. Sie brachte vor, dass alle in der Wohnung vorhandenen Kunstwerke zum ehelichen Haushalt gehört hätten und der täglichen Haushaltsführung sowie der Dekoration dienten.

Das Erstgericht wies die Herausgabe der Kunstwerke und der dazugehörigen Fachbibliothek ab, da bei der Sammlertätigkeit des Erblassers finanzielle Erwägungen im Vordergrund gestanden seien und die Kunstsammlung überwiegend der Wertanlage und nicht der Dekoration gedient habe.

Das Berufungsgericht bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Erstgerichts.

  • Exkurs: gesetzliches Vorausvermächtnis
  • 745 ABGB regelt das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners und umfasst das Recht auf die unentgeltliche Weiterbenützung der Ehewohnung und das Recht auf die zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen.

Auch der Lebensgefährte hat bei Vorliegen einer gemeinsamen Haushaltsführung zumindest innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Tod des Verstorbenen ein gesetzliches Vermächtnis, welches allerdings auf ein Jahr nach dem Erbfall befristet ist. Dieses kommt ihm aber nur zu, wenn der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes nicht verheiratet oder verpartnert war.

Es handelt sich um ein gesetzliches Vermächtnis, sodass es dem Partner unabhängig von der Art der Erbfolge zusteht und nicht von seinem eigenen Bedarf abhängig ist.

Umfasst sind etwa Möbel, Hausrat, bei entsprechenden Lebensverhältnissen auch kostbares Tafelgeschirr und -besteck; Teppiche, Bücher, idR Bilder, Rundfunk-, Fernseh- und sonstige elektronische Geräte, Vorräte und Hauswerkzeug, auch ein Pkw, zB bei abgelegener Wohnung. Hingegen fallen Sachen der Berufsausübung (zB Fachbibliothek, Werkzeug zur Berufsausübung) und reine Geldanlagen (Bargeld, kostbare Gemälde) nicht darunter. Maßgebend ist in allen Fällen die tatsächliche Haushaltsführung zum Zeitpunkt des Erbfalls. 

Zur Frage, ob eine Kunstsammlung vom Vorausvermächtnis umfasst ist, fehlte bislang Rechtsprechung des OGH.

 

  • Rechtliche Beurteilung des OGH

Der OGH hat sich der Meinung der Vorinstanzen angeschlossen und ausgesprochen, dass das gesetzliche Vorausvermächtnis jene zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen umfasst, die die Fortschreibung der bisherigen Lebensverhältnisse sichern.

Für die Erfüllung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses muss einerseits die Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt, andererseits die Erforderlichkeit der Sache zur Fortführung des ehelichen Haushalts entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen vorliegen. Sachen des persönlichen Gebrauchs des Erblassers sowie Sachen, die primär der Berufsausübung dienen, fallen nicht unter das gesetzliche Vorausvermächtnis.

Kunstwerke können unter das gesetzliche Vorausvermächtnis fallen, wenn sie zur Dekoration der Ehewohnung dienen und nicht die Funktion als Wertanlage oder als Bestandteil einer Kunstsammlung im Vordergrund stehen.

Gegenständlich überwogen allerdings die Sammler- und Anlegerinteressen des Erblassers. Die Dekorationsfunktion war so gering, dass die Kunstsammlung nicht Teil der gemeinsamen Lebensführung des Ehepaars war und damit nicht unter das gesetzliche Vorausvermächtnis fällt. Die Bibliothek des Erblassers diente nur der auf die Kunstsammlung bezogenen schriftlichen Dokumentation, sodass sie ebenfalls nicht unter das gesetzliche Vorausvermächtnis fällt.

  • Bemerkung

Für das Vorliegen eines gesetzlichen Vorausvermächtnisses ist daher nicht entscheidend, dass sich Gegenstände in der gemeinsamen Ehewohnung befinden, hingegen ist auf den Zweck der Nutzung abzustellen.

Sachen, die dem persönlichen Gebrauch des Erblassers oder primär seiner beruflichen Tätigkeit dienen, fallen jedenfalls nicht unter das gesetzliche Vorausvermächtnis.

Eine Kunstsammlung kann die Voraussetzungen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses erfüllen, muss jedoch primär durch Aufhängen oder Aufstellen Dekorationszwecken der Ehewohnung gedient haben.

Katharina Müller/Martin Melzer

Newsletter Erbrecht und Vermögensnachfolge Issue 3|2025