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(Kein) Mitverschulden des Auftraggebers

Muss sich der Auftraggeber das Verschulden einer (möglicherweise) unterlassenen Prüf- und Warnpflicht eines Auftragnehmers im Schadenersatzprozess gegen einen anderen Auftragnehmer anrechnen lassen? Zu dieser Frage hat der OGH in seiner Entscheidung 1 Ob 27/24p Stellung genommen.

Eine Projektgesellschaft beauftragte die Beklagte mit Installationsleistungen (HKLS-Gewerke) und die Nebenintervenientin mit den Trockenbauarbeiten. Bei dem Wohnungsprojekt kam es nach Fertigstellung der Wohnungen und Übergabe an die Wohnungseigentümer zu einem Wasserschaden. Die Ursache war ein etwa 10 cm langes Ablaufrohr (Fallstrang) einer Unterputzwaschmaschinenbox im zweiten Obergeschoss. Das Gericht stellte fest, dass das Installationsunternehmen die Schließung der Wand für den Trockenbauer frei gab. Bei späterem Gebrauch der Waschmaschine kam es deshalb zu großflächigen Wasserschäden in den darunterliegenden Wohnungen. Das Verschulden des Installationsunternehmens wurde festgestellt und der Klage (bisher) dem Grunde nach stattgegeben.

Das Installationsunternehmen wehrte sich gegen die Entscheidung des Gerichtes und brachte in der Instanz neuerlich vor, dass die Trockenbaufirma die Vorleistungen im Rahmen der Prüf- und Warnpflicht kontrollieren hätte müssen und den Auftraggeber warnen hätte müssen. Dadurch hätte der Schaden verhindert werden können. Der Trockenbauer bzw. dessen Missachten der Prüf- und Warnpflicht ist nach Ansicht des Installationsunternehmens aufgrund der Koordinationspflicht des Auftraggebers der Projektgesellschaft zuzurechnen.

Der Oberste Gerichtshof folgte der Argumentation des Installationsunternehmens jedoch nicht und stellte fest, dass die Projektgesellschaft nur dann für das Verschulden von beauftragten Fachkräften haftet, wenn diese Pflichten verletzen, die auch den Auftraggeber selbst treffen (würden). Im konkreten Fall stellte das Gericht außerdem fest, dass die Koordinationsverpflichtung der Auftraggeberin durch Absprachen der Auftragnehmer vor Ort gewährleistet war, da es in einem Baubesprechungsprotokoll der örtlichen Bauaufsicht den Vermerk „Abstimmung Installation und Trockenbau funktioniert“ gab.

Die Haftung für die Mängelfreiheit liegt nach Ansicht des OGH beim Installateur, der für den korrekten Anschluss verantwortlich war. Die Projektgesellschaft (hier die klagende Bauwesensversicherung) ist daher berechtigt, den Schaden vom Installateur zurückzufordern. Der Einwand des Mitverschuldens der Auftraggeberin aus der behaupteten Verletzung der Koordinationspflicht war nicht erfolgreich. Der OGH stellte fest, dass ein etwaiges haftungsbegründendes (Mit-)Verschulden des Trockenbauers nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Rechtliche Erwägungen

Den Auftraggeber trifft grundsätzlich eine Koordinationspflicht, die der Sicherstellung einer sachgerechten Gesamtplanung dient. Der Auftraggeber muss sich aber nicht jedes Verschulden des von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen (wie hier: Trockenbauer) anrechnen lassen, sondern kommt ein Mitverschulden nur dann in Betracht, wenn der Gehilfe Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die den Auftraggeber nach dem Vertrag oder zumindest nach der Verkehrsübung selbst treffen.

Den Auftraggeber trifft (nach der ÖNORM B 2110) beispielsweise die Pflicht, behördliche Genehmigungen einzuholen, Unterlagen (Pläne, Muster, Berechnungen, technische Beschreibungen, etc). rechtzeitig dem Auftragnehmer zu übergeben oder Zufahrten, Lagermöglichkeiten und Arbeitsplätze, die zur Erfüllung des Auftrages erforderlich sind, beizustellen. Gleiches gilt für (zentrale) Wasser-, Strom- und Gasanschlüsse. Die Rechtsprechung rechnet die örtliche Bauaufsicht dem Auftraggeber zu, da es die Aufgabe der Bauaufsicht ist, die plan- und ordnungsgemäße Herstellung des Werkes sicherzustellen. Für Verfehlungen der örtlichen Bauaufsicht kann der Mitverschuldenseinwand daher – im Gegensatz zu anderen ausführenden Auftragnehmern – erfolgreich sein.

Fazit

Die Entscheidung stellt klar, dass die Koordinationspflicht des Auftraggebers nicht dazu führt, dass ihm jedes Fehlverhalten seiner Auftragnehmer zugerechnet wird. Die Verantwortung für die mangelfreie Werkerstellung trifft primär den jeweiligen Auftragnehmer selbst.

Der OGH hat in seiner Entscheidung 1 Ob 27/24p allerdings offengelassen, ob und wenn ja, in welchem Umfang, sich der Installateur in einem möglichen Folgeprozess am Trockenbauer (im Wege der Solidarhaftung) regressieren könnte.

 

Bernhard Kall

Christoph Lintsche

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