Der Abschluss eines Werkvertrages bringt für beide Vertragsparteien Risiken mit sich. Der Auftraggeber erwartet sich eine ordnungsgemäße Leistungserbringung, der Auftragnehmer will sein vereinbartes Entgelt erhalten. Abseits von individuellen, vertraglichen Vereinbarungen, trägt auch der Gesetzgeber für eine Absicherung des Auftragnehmers sorge. Die ÖNORM B2110 – die bekanntlich faire und ausgewogene Vertragsbedingungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sicherstellen soll – sieht ein „Gegenstück“ für den Auftraggeber vor.
1170b ABGB – Die Sicherstellung für den Auftragnehmer
Gemäß § 1170b ABGB hat der Auftragnehmer eines Bauwerkes, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils davon das Recht, vom Auftraggeber ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung zu verlangen. Das Recht besteht bis zur vollständigen Zahlung des vereinbarten Entgelts, umfasst daher auch den Zeitraum bis zur Auszahlung eines vereinbarten Haftrücklasses.[1]
Hintergrund dieser seit 2005 eingeführten, zwingenden Bestimmung ist der Umstand, dass der im Regelfall vorleistungspflichte Auftragnehmer dem Insolvenzrisiko seines Auftraggebers in besonders hohem Maß ausgesetzt ist. Das Recht, eine Sicherstellung zu fordern, steht nicht nur den Vertragspartnern des Bauherrn, sondern auch jedem Subunternehmer gegenüber seinem Werkbesteller zu.[2] Lediglich gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Verbrauchern findet die Bestimmung keine Anwendung.
Die Höhe der vom Auftraggeber zu erlegenden Sicherstellungsleistung, bemisst sich grundsätzlich nach dem noch ausstehenden Entgelt, wird aber mit einem Fünftel (20%) des vereinbarten Entgelts und bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind mit zwei Fünftel (40%) des vereinbarten Entgelts, gedeckelt.
Sollte der Auftraggeber die Sicherstellung nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig leisten, darf der Auftragnehmer seine Leistungen einstellen und nach dem fruchtlosen Verstreichen einer gesetzten Nachfrist sogar vom Vertrag zurücktreten.
Kaution – ÖNORM B2110 Pkt 8.7.1
Das Gegenstück zum gesetzlichen Sicherstellungsrecht des Auftragnehmers stellt die in der ONÖRM B 2110 in Pkt 8.7.1. geregelte Kaution für den Auftraggeber dar.[3] Demnach kann der Auftraggeber bis zum vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin eine Sicherstellung für die zu erbringenden Leistungen bis zur Höhe von 20% der Auftragssumme verlangen.
Eine übergebene Sicherheit darf dann in Anspruch genommen werden, wenn über das Vermögen des Auftragnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder ein rechtskräftiges Urteil über die besicherte Leistung zu Gunsten des Auftraggebers ergangen ist. Im Gegensatz zum Sicherstellungsrecht des Auftragnehmers, kommt der Kaution nur bis zur Übernahme der Leistung eine Bedeutung zu, danach fällt der Sicherungszweck weg. Ab diesem Zeitpunkt stehen dem Auftraggeber andere Instrumente zur Verfügung (Haftrücklass, Zurückbehaltungsrecht).
Fazit
Sowohl das Gesetz als auch die ÖNORM B2110 beinhalten Bestimmungen, welche die bei einem Vertragsabschluss entstehenden Risiken mindern und die Leistungserfüllung durch beide Seiten garantieren sollen.
Katharina Müller
[1] vgl OGH: 15.03.2023, 3 Ob 28/23y.
[2] Kropik/Wiesinger; Der Generalunternehmer und Subunternehmer in der Bauwirtschaft3 175.
[3] vgl Karasek, ÖNORM B 21104 8 Rechnungslegung, Zahlung, Sicherstellung, Rz 115.
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