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Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2019

Geschlechterklauseln in Gesellschaftsverträgen nach OGH sittenwidrig

6. Juni 2019

Eine sog. Geschlechterklausel ist eine Bestimmung, die Frauen oder Männer anhand ihres Geschlechts begünstigt oder benachteiligt.

In einer aktuellen Entscheidung (OGH vom 24.1.2019, 6 Ob 55/18h) enthielt der Gesellschaftsvertrag einer GmbH eine Regelung, die männliche Nachkommen bei der Übertragung und Vererbung der Geschäftsanteile gegenüber weiblichen Nachkommen bevorzugte. Der OGH erklärte diese Regelung für sittenwidrig und traf folgende Kernaussagen:

  • Der Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG) normiert, dass alle Staatsbürger gleich sind. Vorrechte des Geschlechts sind gemäß Art 7 Abs 1 Satz 2 B-VG ausdrücklich ausgeschlossen.
  • Die (gegen den Staat gerichteten) Grundrechte wirken mittelbar auf das Verhältnis Privater zueinander. Nach § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Klausel sind auch grundrechtliche Wertungen zu berücksichtigen.
  • Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderer Arten von selbständiger Tätigkeit. Das GlBG ist zwar nicht auf gesellschaftsvertragliche Bestimmungen gerichtet, die Wertungen des GlBG können allerdings zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB herangezogen werden.
  • Die Geschlechterklausel im Gesellschaftsvertrag widerspricht den Wertungen des Gleichheitsgrundsatzes und des GlBG. Die Geschlechterklausel ist daher nach heutiger Rechtslage sittenwidrig und damit unwirksam.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass bei der Gestaltung von Nachfolgeregelungen darauf zu achten ist, dass keine sittenwidrigen – und damit unwirksamen – Geschlechterklauseln aufgenommen werden. Bereits bestehende Regelungen in Gesellschaftsverträgen sollten überprüft und allenfalls in Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung gebracht werden.

Dr. Martin Melzer, LL.M. / Mag. Anna Ammann

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