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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 2|2020

Gefahr der Marktmanipulation über Social Media

17. Februar 2020

In der jüngeren Vergangenheit haben mehrere Statements von Entscheidungsträgern börsennotierter Unternehmen zu behördlichen Untersuchungen wegen Marktmanipulation geführt. Netflix-Gründer und CEO Reed Hastings gab etwa 2012 über seine Facebook-Seite bekannt, dass Abonnenten erstmals mehr als eine Milliarde Stunden Internet-Fernsehen in einem Monat geschaut haben, wobei dies von einem Blog über Twitter an mehr als 2,5 Millionen Follower verbreitet wurde (der Netflix-Kurs legte daraufhin um 15% zu). Elon Musk´s Ankündigung eines möglichen Delistingsvon Tesla über Twitter hatte 2019 zu einem Kursanstieg von 11% bei der Tesla-Aktie geführt. Beide Statements führten zu Ermittlungen der amerikanischen Aufsicht SEC.

Die zunehmende Bedeutung der sozialen Medien für die Kapitalmärkte anerkennt auch die Marktmissbrauchsverordnung (MAR). So heißt es im 48. Erwägungsgrund der MAR: “Da Websites, Blogs und soziale Medien immer stärker genutzt werden, ist es wichtig klarzustellen, dass die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen über das Internet, einschließlich über Websites sozialer Medien oder anonyme Blogs, im Sinne dieser Verordnung als gleichwertig mit der Verbreitung über traditionellere Kommunikationskanäle betrachtet werden sollte.

Die Marktmissbrauchsverordnung verbietet informationsgestützte Marktmanipulation. Darunter fällt die “Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich des Internets oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments […] oder der Nachfrage danach geben oder bei denen dies wahrscheinlich ist oder ein anormales oder künstliches Kursniveau eines Finanzinstruments […] herbeiführen oder bei denen dies wahrscheinlich ist.” Diese komplexe Definition ist hinsichtlich des Kommunikationskanals umfassend (arg „oder auf anderem Wege,…“) und verbietet etwas vereinfacht gesagt die Verbreitung von falschen oder irreführenden Tatsachen oder Gerüchten mit potenziellem Kurseinfluss. Der „Täter“ muss dabei noch nicht einmal vorsätzlich handeln.

Dass die FMA auch bei prominenten Managern von einer Bestrafung wegen informationsgestützter Marktmanipulation nicht zurückschreckt, hat Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber am eigenen Leib erfahren (vgl VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0200). Erhatte in einem “Kurier”-Interview vom 18. September 2012 auf die Frage, ob der börsennotierte Verbund aus der Türkei aussteigen werde, geantwortet: “Das ist derzeit kein Thema“, obwohl Verbund mit E.ON diesbezüglich über einen Asset-Swap verhandelte (dem Vernehmen nach waren die Verhandlungen zum Zeitpunkt der Äußerung jedoch ausgesetzt). Musk hatte bezüglich des Tesla-taking-private getwittert „Funding secured.“, obwohl die Finanzierung wohl nicht sichergestellt war. Beide Fälle endeten mit Strafen durch die Aufsichtsbehörde (FMA/SEC). Das Medium (Tageszeitung/Twitter) macht hier keinen Unterschied. Die BaFin hat in ihrem Jahresbericht ebenfalls betont, dass neue Kommunikationswege (Twitter, Facebook etc.) auch neue Arbeitsfelder für die BaFin mit sich bringen. Die BaFin verweist auch darauf, dass sie derzeit erste Fälle von neuartigen Marktmanipulationen auf digitalem Wege untersucht.

Vor diesem Hintergrund kann man nicht genug betonen, wie wichtig der sorgfältige Umgang von Entscheidungsträgern börsennotierter Unternehmen mit Social Media ist. Wir raten auch Compliance-Verantwortlichen in diesem Zusammenhang, die Augen offen zu halten und Awareness im Unternehmen zu schaffen. Es sollten jedenfalls immer nur gesicherte Fakten veröffentlicht werden. Zudem ist im Hinterkopf zu behalten, dass sich in komplexen gestreckten Sachverhalten die Lage oft sehr rasch ändern kann. Die Aufsicht blickt bei ihren Untersuchungen dann naturgemäß zurück und glaubt einem nicht zwingend, dass man bei Tätigen einer Äußerung nicht wissen konnte, dass sie sich später als falsch herausstellen wird.

Dr. Sebastian Sieder

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