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Die virtuelle Hauptversammlung wird dauerhaft im Gesetz verankert

Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2023

17. August 2023

In der Pandemie haben sich virtuelle Versammlungen diverser Gesellschaftsorgane gut bewährt. Rechtsgrundlage war eine Übergangsregelung, die am 30.06.2023 endgültig ausgelaufen ist. Dafür ist für den wichtigen Teilbereich der Hauptversammlungen eine Dauerlösung in Sicht. In diesem Beitrag beschreiben wir die Eckpunkte basierend auf dem derzeitigen Ministerialentwurf.

  • Es soll künftig ein eigenes Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG) geben, welches für Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, (Versicherungs-)Vereine und Sparkassen gilt.
  • Das VirtGesG behandelt ausschließlich „Eigentümerversammlungen“ im weitesten Sinn, also Aktionärs-, Gesellschafter- und Mitgliederversammlungen. Nachdem in unserer Beraterpraxis die Aktiengesellschaft voraussichtlich ein häufiger Anwendungsfall sein wird, verwende ich nachfolgend die aktienrechtliche Terminologie (anders als das Gesetz, welches mit den Begriffen des GmbH-Rechts arbeitet). Das nachfolgend Gesagte gilt aber natürlich ungeachtet dessen auch für GmbH, SE, Genossenschaften, (Versicherungs-)Vereine und Sparkassen.
  • Für Sitzungen anderer Organe, etwa Vorstand/Geschäftsführung oder Aufsichtsrat gilt das neue Gesetz nicht. Die Zulässigkeit sogenannter „qualifizierter Videokonferenzen“ für derartige Organsitzungen wird in der Lehre aber soweit ersichtlich auch ohne gesetzliche Grundlage überwiegend bejaht (sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind). Es empfiehlt sich allenfalls, hierfür in den jeweiligen Geschäftsordnungen entsprechend vorzubauen.
  • Ganz wichtig: Wenn künftig Hauptversammlungen virtuell (also ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer:innen) oder allenfalls auch hybrid abgehalten werden sollen, ist das zwingend in der Satzung zu regeln. Wo in dieser Hauptversammlungssaison noch möglich und gewünscht sollten also in der kommenden ordentlichen Hauptversammlung Vorkehrungen getroffen werden. Dabei kann das Format entweder schon in der Satzung selbst vorgegeben werden, oder (praktisch häufiger) der Vorstand zu einer Abhaltung in virtueller oder hybrider Form ermächtigt werden. Im Fall einer Ermächtigung hat der Vorstand bei der Einberufung die Interessen der Gesellschaft sowie der Teilnehmer:innen angemessen zu berücksichtigen. Die vorstehende Satzungsbestimmung ist für höchsten fünf Jahre zu befristen, wird künftig also wie etwa auch das genehmigte Kapital periodisch zu erneuern sein.
  • Im Grunde gilt, dass virtuelle Versammlungen als sogenannte „einfache Versammlungen“ abgehalten werden können. Bei Aktiengesellschaften, die zwingend eine/einen Versammlungsleiter:in haben müssen, kann aber stattdessen auch eine sogenannte „moderierte virtuelle Versammlung“ stattfinden. Einfache virtuelle Versammlungen sind nur zulässig, wenn eine Teilnahmemöglichkeit mittels akustischer und optischer Zweiweg-Verbindung in Echtzeit besteht, wobei sich jede/r Teilnehmer:in zu Wort melden, abstimmen und Widerspruch erheben können muss. Das ist bei einer größeren Anzahl an Aktionär:innen natürlich faktisch unmöglich. Das Format taugt aber natürlich für einen kleineren Teilnehmer:innenkreis.
  • Bei der „moderierten virtuellen Versammlung“ ist optische und akustische Übertragung der Versammlung für die Aktionär:innen vorgeschrieben, nicht aber der „Zweiweg“, was dieses Format auch für eine größere Aktionär:innenzahl brauchbar macht. Die Aktionär:innen müssen hier aber, eben moderiert durch den/die Versammlungsleiter:in, die Möglichkeit haben, sich per Videokonferenz zu Wort zu melden. Außerdem müssen sie ihr Stimmrecht, Widerspruchsrecht etc im Wege der elektronischen Kommunikation selbst ausüben können.
  • Wie die Übergangsregulierung enthält auch der Ministerialentwurf für ein VirtGesG Sonderbestimmungen für börsenotierte Aktiengesellschaften. Hervorzuheben sind hier, wenn auch aus der etablierten „COVID-Praxis“ bereits bekannt:
    • Es muss einen elektronischen Kommunikationsweg wie eine E-Mail-Adresse der Gesellschaft geben, über welchen Fragen und Beschlussanträge an die Gesellschaft übermittelt werden können. Für die Übermittlung auf diesem Weg kann nach meinem Verständnis eine zeitliche Schranke eingeführt werden, wobei bis mindestens zum dritten Werktag vor der Hauptversammlung eine Übermittlung möglich sein muss. Zudem müssen Aktionär:innen nach meinem Verständnis auch während der Hauptversammlung Wortmeldung abgeben und Beschlussanträge stellen können und dürfen direkt an der Abstimmung teilnehmen und Widersprüche erheben.
    • Sozusagen als „Goodie“ hat die börsenotierte AG den Aktionär:innen auf eigene Kosten wie bisher Stimmrechtsvertreter:innen zur Verfügung zu stellen (bisher vier, nunmehr zwei). Dies ebenso wie bisher für die Stimmrechtsabgabe, die Stellung von Beschlussanträgen und die Erhebung von Widersprüchen. Das Rede- und Auskunftsrecht wird von den Aktionär:innen jedenfalls selbst ausgeübt.

Interessant finde ich auch, dass nach Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung Aktionär:innen, die 10% des Grundkapitals auf sich vereinen, bis zum Ende des Geschäftsjahres verlangen können, dass die nächste ordentliche Hauptversammlung in einer Form stattfindet, die eine physische Teilnahme der Aktionär:innen ermöglicht.

Auch wenn wie gesagt die Stellungnahmefrist zum Ministerialentwurf noch läuft und dieser in weiterer Folge auch noch Nationalrat und Bundesrat passieren muss gehe ich davon aus, dass das Gesetz in dieser (oder sehr ähnlicher) Form kommen wird. Nach Zirkulieren eines ersten Entwurfs Ende 2022 ist in den letzten Monaten darüber ja schon ausgiebig diskutiert worden und ist das mit 14.07.2023 in Kraft getretene Gesetz nunmehr das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses.

Wer sich schon jetzt auf das neue Gesetz vorbereiten will: Wir unterstützen Sie dabei gern!

Mag. Gernot Wilfling

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