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Newsletter Corporate/M&A Issue 1|2020

Der Rechtsanwalt als Vorsitzender der Generalversammlung

28. Januar 2020

Während bei der Gründung von Unternehmen die Euphorie unter den Gesellschaftern in aller Regel groß ist, kommt es mit Fortdauer des gemeinsamen Wirtschaftens mitunter durchaus zu Streit. Sind die Fronten sehr verhärtet, treffen sich die Gesellschafter meist unterstützt durch ihre Anwälte in einer (streitigen) Generalversammlung. In solchen Veranstaltungen kann schon die Frage, wer den Vorsitz führt, der erste große Diskussionspunkt sein.

Das GmbH-Gesetz regelt den Vorsitzenden der Generalversammlung (anders als das Aktiengesetz) nicht. Unbestritten ist, dass dennoch (ohne qualifiziertes Mehrheitserfordernis) ein Vorsitzender gewählt werden kann. Dieser ist dann für einen geordneten Ablauf der Verhandlungen und Abstimmungen sowie für eine ordnungsgemäße Feststellung der Verhandlungs- und Abstimmungsergebnisse zuständig und übt die Sitzungspolizei aus (erteilt und entzieht das Wort, kann Redezeit festlegen etc). Nachdem es im Einzelfall (etwa bei der Frage nach Stimmverboten oder der Zulässigkeit von Anträgen) durchaus von Vorteil sein kann, den Vorsitzenden „auf seiner Seite“ zu haben, wählen Gesellschafter mit entsprechender Mehrheit in aller Regel jemanden aus ihrer Sphäre zum Vorsitzenden.

Auch wegen der fundierten rechtlichen Kenntnis übernehmen oft Rechtsanwälte die Vorsitzführung, wobei in der Regel ein Nahe-, wenn nicht sogar ein Mandatsverhältnis zum Mehrheitsgesellschafter besteht. Mit einer solchen Konstellation hat sich kürzlich der OGH beschäftigt (6 Ob 149/19h). Kernaussage der Entscheidung ist (wenig überraschend), dass die Vorsitzführung unparteilich (neutral) auszuüben ist. Ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig Vertreter eines Gesellschafters ist, handelt in der Funktion als Vorsitzender nicht als Vertreter seiner Partei. Die Pflicht nach § 9 Abs 1 RAO, „die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten“ steht zurück und ist bei der Vorsitzführung nicht anwendbar.

Die Entscheidung ist im Grunde nachvollziehbar, praktisch ist die Vorgabe des OGH natürlich herausfordernd. Wir haben dieses Spannungsfeld zuletzt so gelöst, dass ein Anwalt der Kanzlei die Vorsitzführung übernimmt und ein anderer die Interessen des eigenen Mandanten (Mehrheitsgesellschafter) wahrnimmt.

Mag. Gernot Wilfling

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