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ÖCGK-REVISION 2025: DAS MÜSSEN SIE WISSEN!

Mit dem Österreichischen Corporate Governance Kodex (ÖCGK) wird österreichischen Aktiengesellschaften ein Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung des Unternehmens zur Verfügung gestellt. Der ÖCGK enthält die international üblichen Standards für gute Unternehmensführung, aber auch die in diesem Zusammenhang bedeutsamen Regelungen des österreichischen Aktienrechts. Der ÖCGK verfolgt das Ziel einer verantwortlichen, auf nachhaltige und langfristige Wertschaffung ausgerichteten Leitung und Kontrolle von Gesellschaften und Konzernen. Geltung erlangt der Österreichische Corporate Governance Kodex durch freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. Alle österreichischen börsennotierten Gesellschaften sind aufgerufen, sich durch eine öffentliche Erklärung zur Beachtung des Kodex zu verpflichten. Eine Verpflichtungserklärung zum Österreichischen Corporate Governance Kodex ist für österreichische Gesellschaften eine Aufnahmevoraussetzung für den Prime Market der Wiener Börse.

Der ÖCGK umfasst drei Regelkategorien, die bei der jeweiligen Regel durch die Abkürzungen L, C und R ersichtlich sind. L steht für Legal Requirement und bedeutet, dass die Regel auf zwingenden Rechtsvorschriften beruht. C steht für Comply or Explain und besagt, dass die Regel eingehalten werden soll und eine Abweichung muss erklärt und begründet werden, um ein OÖCGK-konformes Verhalten zu erreichen. R steht für Recommendation und bedeutet, dass die Regel „nur“ Empfehlungscharakter hat und die Nichteinhaltung der Regel weder offenzulegen noch zu begründen ist.

Der ÖCGK wird in der Regel einmal jährlich vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Entwicklungen überprüft und bei Bedarf angepasst. Schwerpunkt der Kodexrevision 2025 ist, vor dem Hintergrund des europäischen ESG-Trends wenig überraschend, die nachhaltige Unternehmensführung unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien, aber auch die Stärkung der Transparenz. Wir fassen Ihnen die wesentlichen seit Jänner 2025 geltenden Änderungen nachfolgend zusammen:

  1. Nachhaltigkeit in der Präambel

In der Präambel findet sich nunmehr gleich nach den bereits eingangs erwähnten Zielen des ÖCGK: „Ökologische und soziale Nachhaltigkeit ist Basis für eine langfristige Wertschaffung. Ökonomische Stärke und Stabilität sind Voraussetzung auch für Investitionen in Nachhaltigkeit. Somit bedingen ökologische und soziale Nachhaltigkeit, ökonomische Stärke und Stabilität einander und sind gleichzeitig anzustreben.

  1. Verlinkung Investor-Relations-Website

Der ÖCGK schreibt nunmehr ausdrücklich vor, dass die Website, die die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen enthält, mit der Investor-Relations-Website der Gesellschaft zu verlinken ist (R-Regel 4a).

  1. Hauptversammlungsbeschlüsse für mindestens 5 Jahre auf Website

Hauptversammlungsbeschlüsse müssen mindestens 5 Jahre auf der Website der Gesellschaft abrufbar sein (R-Regel 6a).

  1. Unterstützung Personen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen bei Hauptversammlunsteilnahme

Gemäß ÖCGK ist man verpflichtet, insbesondere Personen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen, bei der Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung ihrer Rechte in bestmöglicher Weise zu unterstützen (R-Regel 7). Was genau damit gemeint ist, geht aus dem ÖCGK nicht hervor. Vor diesem Hintergrund könnte man überlegen, ob eventuell das Barrierefreiheitsgesetzes (BaFG) „weiterhilft“. Immerhin heißt es in der Fußnote am Ende der R-Regel 7: „Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Kraft, das auch für die Organisation der Hauptversammlungen relevante Regelungen enthält.“ Gemäß R-Regel 7 zählt dazu vor allem die örtliche und zeitliche Planung der Hauptversammlung, die Gestaltung der Voraussetzungen für die Teilnahme und die Ausübung des Stimmrechts sowie des Rede- und Auskunftsrechts.

Fraglich ist, ab wann R-Regel 7 „greift“. Die Präambel führt aus, dass die C- und R-Regeln des Kodex in der neuen Fassung für Geschäftsjahre gelten, die nach dem 31.12.2024 beginnen. Das könnte man so lesen, dass diese Regelungen erst für die Hauptversammlungssaison 2026, in welcher über das Geschäftsjahr beginnend am 1.1.2025 verhandelt wird, gilt. Eine solche Auslegung würde auch zur Anwendbarkeit des BaFG (ab 28.06.2025) passen.

Von den Anwendungsfällen des BaFG kämen aus unserer Sicht rund um Hauptversammlungen (theoretisch) in Frage:

  • Elektronische Kommunikationsdienste: Gemäß Definition sind das Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt über elektronische Kommunikationsnetze angeboten werden. Das sind etwa (i) Internetzugangsdienste: öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste; (ii) interpersonelle Kommunikationsdienste: gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die einen direkten interpersonellen und interaktiven Informationsaustausch über elektronische Kommunikationsnetze ermöglichen; (iii) Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, wie Übertragungsdienste, die für die Maschine-Maschine-Kommunikation und für den Rundfunk genutzt werden. Diese Bestimmung zielt eher in Richtung Sprachtelefonie, Videotelefonie, SMS-Dienste und Online-Messengerdienste (zB WhatsApp, Signal oder Skype). Wenn überhaupt, könnte diese Definition für rein virtuelle Hauptversammlungen denkbar sein; dabei handelt es sich aber freilich um keine entgeltlichen Dienstleistungen, die FHAG für Kunden erbringt, sondern eine gesetzlich vorgesehene Aktionärsveranstaltung.
  • Dienste, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen: Darunter können unter Umständen Websites, Online-Anwendungen, auf Set-Top-Boxen basierende Anwendungen (zB für Amazon Fire TV, Apple TV, Sky etc.), herunterladbare Anwendungen, auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen einschließlich mobiler Anwendungen und entsprechende Media-Player sowie auf einer Internetverbindung basierende Fernsehdienste fallen. Die Barrierefreiheit von elektronischen Programmführern (Electronic Program Guides – EPGs) für Hörfunk und Fernsehen soll ebenfalls umfasst sein. Als „Zugang“ zu audiovisuellen Mediendiensten soll insbesondere der barrierefreie Zugang zu audiovisuellen Inhalten und das Vorhandensein von Mechanismen, die es Nutzern und Nutzerinnen mit Behinderungen ermöglichen, ihre assistiven Technologien zu nutzen, zu verstehen sein. Dass man hier etwa so weit gehen könnte, die normale (gesetzlich vorgeschriebene) Informationsbereitstellung über die Investor-Relations-Website mit umfasst zu sehen, scheint doch weit hergeholt (dann würde im Prinzip jede Website darunterfallen).
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce): Im BaFG definiert als „Ferndienstleistungen, die, elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers oder einer Verbraucherin im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags über Webseiten und über auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen erbracht werden“. Das scheint aber doch recht weit entfernt von einer Anwendbarkeit auf Hauptversammlungen.
  1. Risikomanagementsystem

Der Vorstand muss dafür sorgen, dass ein Risikomanagementsystem (RMS) eingerichtet und betrieben wird (C-Regel 17a). Das RMS ist gemäß aktienrechtlicher Lit die Gesamtheit aller Maßnahmen und Entscheidungen, die sicherstellen sollen, dass alle wesentlichen Unternehmensrisiken rechtzeitig erkannt werden und entsprechend den unternehmensinternen Risikovorgaben vorgegangen wird. Zu beachten ist auch C-Regel 83 ÖCGK, nach der der Abschlussprüfer die Funktionsfähigkeit des RMS zu beurteilen und dem Vorstand darüber zu berichten hat. Der Vorstand muss diesen Bericht dem AR-Vorsitzenden zur Kenntnis zu bringen, der wiederum dafür zu sorgen hat, dass dieser Bericht im Prüfungsausschuss behandelt und im Aufsichtsrat darüber berichtet wird. Zum Überprüfen des RMS sind etwa die Einholung von und Einsichtnahme in Dokumentationen zum IKS und RMS sowie gegebenenfalls der internen Revision (Berichte, Risikoanalysen etc), die Befragung von Vorstandsmitgliedern sowie von prozess-, kontroll- und risikomanagementverantwortlichen Mitarbeitern (zB Mitarbeiter der internen Revision oder des Finanzwesens) und die Erstellung und Anwendung von Überwachungskonzepten (zB systematische Prüfung einzelner Bereiche und regelmäßige Berichterstattung), erforderlich.

  1. Umsetzung Revisionsplan und Berichtspflicht

C-Regel 18 besagt, wie bisher, dass in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens eine interne Revision als eigene Stabstelle des Vorstands einzurichten oder an eine geeignete Institution auszulagern ist. Ergänzt wurde durch die Revision des ÖCGK, dass über die Umsetzung des Revisionsplans grundsätzlich der Leiter der internen Revision regelmäßig dem Prüfungsausschuss zu berichten hat.

  1. Anpassung Schwellenwert Directors´ Dealings

Der Schwellenwert für Directors´ Dealings wurde wegen der Änderung der MAR durch den EU Listing Act auf EUR 20.000 erhöht (Fußnote zu L-Regel 19).

  1. Geschäftsordnung für interne Revision

Die interne Revision muss sich eine Geschäftsordnung nach den jeweils anerkannten Standards geben und der Prüfungsausschuss muss diese zur Kenntnis nehmen (R-Regel 18a).

  1. ESG-Kriterien in Vorstandsverträgen

Bei der Anknüpfung der variablen Vergütungsbestandteile für Vorstandsverträge sind bezüglich der mit einzubeziehenden nicht-finanzielle Kriterien, nunmehr ökologische, soziale oder Governance-Kriterien ausdrücklich genannt (C-Regel 27).

  1. Geschäftsordnung Aufsichtsrat auf Website

Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats muss seit der Änderung des ÖCGK auf der Website der Gesellschaft veröffentlicht werden (R-Regel 34a).

  1. Risikolage und Aufsichtsratsvorsitzende

Klargestellt wurde, dass der Aufsichtsratsvorsitzende mit dem Vorstandsvorsitzenden neben dem Risikomanagement des Unternehmens auch dessen Risikolage zu diskutieren hat (C-Regel 37).

  1. Disqualifikation Vorstandsmitglieder

Dem Gesellschaftsrechtlichen Digitalisierungsgesetz 2023 (GesDigG 2023), welches unter anderem das AktG änderte, folgend darf ein Vorstandsmitglied nicht sein, wer von einem Gericht rechtskräftig zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe wegen eines wirtschaftsnahen Delikts verurteilt worden ist (L-Regel 38). Der Aufsichtsrat wird wie bisher in die Pflicht genommen, indem er darauf zu achten hat, dass kein Vorstandsmitglied rechtskräftig wegen eines Delikts gerichtlich verurteilt ist, sofern die Verurteilung die berufliche Zuverlässigkeit als Vorstandsmitglied in Frage stellt (C-Regel 38a).

  1. Besetzung Vorstandsmitglied(er)

Das Besetzungsverfahren von Vorstandsmitgliedern muss interne und externe Kandidaten in Betracht ziehen. Damit wird wohl eine breitere Kandidatenbasis für Vorstandsbestellungen bezweckt. Die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern hat für mindestens drei Jahre zu erfolgen (C-Regel 38c).

  1. Ausschüsse

Die ÖGCK-Revision 2025 hat auch Empfehlungen bezüglich Prüfungsausschüssen des Aufsichtsrats. So soll der Aufsichtsratsvorsitzende nicht gleichzeitig Vorsitzender des Prüfungsausschusses sein. Auch ist unter Berücksichtigung der Größe des Aufsichtsrates bei der Besetzung der Ausschüsse darauf zu achten, dass diese nicht aus der gleichen Gruppe von Mitgliedern bestehen, die bereits einen anderen Ausschuss bilden, und dass nicht eine Person den Vorsitz aller Ausschüsse übernimmt (R-Regel 40a). Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses muss den Abschlussprüfer fragen, ob er beim Lesen der von Vorstand und Aufsichtsrat abgegebenen Erklärungen zur Corporate Governance wesentliche Unstimmigkeiten zum Jahresabschluss oder zu den bei der Abschlussprüfung erlangten Kenntnissen festgestellt hat (R-Regel 81b).

Sebastian Sieder

Den gesamten Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 2|2025 Newsletter finden Sie HIER