MP-Law-Logo weiß

SAY-ON-CLIMATE-BESCHLÜSSE: EIN NEUER TREND?

Das Thema Klimawandel ist längst kein zukünftiges Problem mehr, sondern eine aktuelle Herausforderung – auch für Unternehmen. Immer mehr Unternehmen erkennen ihre Verantwortung und integrieren Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz in ihre Geschäftsstrategien.

Bereits nach bestehenden gesetzlichen Regelungen sind bestimmte Gesellschaften verpflichtet, in der nichtfinanziellen Erklärung oder im nichtfinanziellen Bericht gemäß §§ 243b, 267a UGB über ihre Klimaschutzstrategien zu berichten. Im Jänner 2025 wurde in Österreich der Entwurf des Nachhaltigkeitsberichtsgesetzes (NaBeG) veröffentlicht, das ua die Novellierung der §§ 243b und 267a UGB vorsieht. Die vorgeschlagene Neufassung des § 243b UGB verpflichtet große Gesellschaften sowie Gesellschaften iSd § 189a Z 1 lit a UGB, die klein oder mittelgroß, aber keine Kleinstkapitalgesellschaften sind, in den Lagebericht Angaben zur Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte (Nachhaltigkeitsberichterstattung) klar erkennbar in einem dafür vorgesehenen Abschnitt aufzunehmen (Nachhaltigkeitserklärung). Diese hat insbesondere eine kurze Beschreibung des Geschäftsmodells und der Strategie in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte, der Nachhaltigkeitsziele und der Rolle der Verwaltungs -, Leitungs – und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten zu enthalten. Die neue Fassung des § 243c UGB soll sicherstellen, dass für Unternehmen, die der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht nach § 243b UGB unterliegen, keine Doppelverpflichtungen entstehen. Diese können die relevanten Angaben direkt in die Nachhaltigkeitsberichterstattung integrieren und im Corporate-Governance-Bericht darauf verweisen. Das NaBeG führt nicht nur zu Änderungen im UGB, sondern bringt ua auch Anpassungen im AktG und GmbHG mit sich. Die neuen Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung treten grundsätzlich mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Auch der EU-Gesetzgeber hat in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen. Artikel 19a der am 5. Januar 2023 in Kraft getretenen Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) erweitert die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung wesentlich. Zur Umsetzung der CSRD hat das BMJ das NaBeG erarbeitet. Im Sommer 2024 hat die EU die sog. „Lieferkettenrichtlinie“ (CSDDD) verabschiedet. Die CSDDD ist bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen. Artikel 22 der Richtlinie verpflichtet bestimmte Unternehmen, einen Plan zur Minderung ihres Einflusses auf den Klimawandel aufzustellen und umzusetzen. Die EU-Kommission hat am 26. Februar 2025 den Entwurf für das erste Omnibus-Paket zur Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht. Ziel ist die Vereinfachung und Reduzierung der Berichtspflichten und des Bürokratieaufwands, die sich aus der CSRD, der EU-Taxonomie und der CSDDD ergeben.

Außerdem forderte schon bisher 16a des Österreichischen Corporate Governance Kodex (ÖCGK), dass der Vorstand bei der Entwicklung und Umsetzung der Unternehmensstrategie Aspekte der Nachhaltigkeit sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken in Bezug auf Umwelt, soziale Belange und Corporate Governance berücksichtigt. Zudem war Schwerpunkt der Kodexrevision 2025 die nachhaltige Unternehmensführung unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien und die Stärkung der Transparenz. In der aktuellen Fassung des ÖCGK (Jänner 2025) heißt es in der Präambel nunmehr: „Ökologische und soziale Nachhaltigkeit ist Basis für eine langfristige Wertschaffung. Ökonomische Stärke und Stabilität sind Voraussetzung auch für Investitionen in Nachhaltigkeit. Somit bedingen ökologische und soziale Nachhaltigkeit, ökonomische Stärke und Stabilität einander und sind gleichzeitig anzustreben. Insgesamt zeichnet sich die Situation durch eine dynamische Entwicklung aus, die fortlaufend neue Anforderungen und Chancen bietet.“ Die Gesellschaft unterstützt die Aktionäre, insbesondere Personen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen, bei der Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung ihrer Rechte in bestmöglicher Weise (Regel R-7). Bei Abschluss von Vorstandsverträgen haben die variablen Vergütungsteile insbesondere an nachhaltige, langfristige und mehrjährige Leistungskriterien anzuknüpfen und auch nicht-finanzielle Kriterien, einschließlich ökologischer, sozialer oder Governance-Kriterien mit einzubeziehen und dürfen nicht zum Eingehen unangemessener Risiken verleiten (Regel C-27).

Zudem gewinnen neue internationale Trends in der Corporate Governance zunehmend Bedeutung. Ein prominentes Beispiel sind Say-on-Climate-Beschlüsse der Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen. Aber worum geht es beim Say-on-Climate?

Die Unternehmensführung erstellt einen Climate Action Transition Plan, der kurz-, mittel- und langfristige Ziele zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen, einschließlich geplanter Maßnahmen, Kosten und Zeitrahmen, beschreibt. Über den Fortschritt und Anpassung dieses Plans wird jährlich berichtet. Plan und Bericht werden der Hauptversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt (unverbindlicher Say-on-Climate-Beschluss, ähnlich Say-on-Pay). Der Kern dieser Beschlüsse liegt in der aktiven Einbeziehung der Aktionär:innen in die Diskussion über die Klimaziele und -strategien des Unternehmens, um sicherzustellen, dass diese sowohl ambitioniert als auch realistisch sind. Da Say-on-Climate-Beschlüsse jedoch Angelegenheiten der Geschäftsführung betreffen, die nach § 70 AktG in der Hand des Vorstands liegen, können sie aktienrechtlich nicht erzwungen werden. Der Vorstand kann jedoch sein Konzept zum Klimaschutz und einen jährlichen Bericht über den erreichten Stand der Hautversammlung zur unverbindlichen Billigung vorlegen (gemäß § 103 Absatz 2 AktG). Eine Initiierung durch Aktionär:innen gemäß § 109 AktG (Verlangen auf Ergänzung der Tagesordnung) scheitert daran, dass der beantragte Tagesordnungspunkt in die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung fallen muss.

Welche Argumente sprechen für bzw gegen Say-on-Climate-Beschlüsse?

Pro-Argumente:

  • Haftungsminderung: Die Abstimmung mit den eigenen Aktionär:innen bringt eine gewisse Minderung der persönlichen Haftungsrisiken mit sich: Die Kosten für Klimaschutzbemühungen werden zunächst vom Unternehmen getragen und die Investitionen in nachhaltige Entwicklungen können die Profitabilität und Gewinn des Unternehmens mindern. Die Billigung des Klimaschutzplans durch die Hauptversammlung führt zu einer faktischen „Enthaftung“ des Vorstands.
  • Reputationsgewinne: Unternehmen, die Klimaschutz ernst nehmen, können erhebliche Reputationsgewinne erzielen und positiv in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
  • Meinungsbild: Die Unternehmensführung kann den Meinungsstand der Aktionär:innen ermitteln.
  • Mehr Transparenz in Nachhaltigkeits- und Klimafragen

Contra-Argumente (und Entkräftigung):

  • Kompetenzordnung: Eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung könnte in die Kompetenzordnung der AG eingreifen. Die Hauptversammlung ist jedoch auf die Beschlussfassung über den bereits vom Vorstand erstellten Klimaplan beschränkt. Die Hauptverantwortung liegt daher weiterhin beim Vorstand. Die Kompetenzen des Aufsichtsrats werden in keiner Weise berührt. Er kann den Vorstand bereits in einem frühen Stadium beraten und nach wie vor überwachen.
  • Komplexität: Es wird befürchtet, dass die Hauptversammlung aufgrund der Komplexität des Themas und mangelnder (Fach-) Kenntnisse der Aktionär:innen nicht in der Lage ist, einen Beschluss zu fassen. Die Hauptversammlung muss aber den Klimaplan nur billigen. Es gibt zahlreiche komplexe Themenbereiche, die wirtschaftliche, technische oder andere fachspezifische Kenntnisse erfordern, und dennoch werden diese in der Hauptversammlung behandelt.
  • Administrativer Aufwand: Ein weiteres Gegenargument ist der hohe administrative Aufwand, der mit der Erstellung des Klimaplans verbunden ist. Say-on-Climate-Beschlüsse bedeuten jedoch keinen unverhältnismäßig hohen Zusatzaufwand. Wie vorher schon erwähnt, sind Unternehmen ohnehin verpflichtet, in nichtfinanziellen Erklärungen und Berichten über ihre Klimaschutzaktivitäten zu berichten.

Insgesamt sind die Gegenargumente nicht besonders überzeugend. Im Gegensatz dazu bieten Say-on-Climate-Beschlüsse zahlreiche Vorteile, sowohl für Unternehmen als auch für die Allgemeinheit.

Bisher hat es in Österreich keinen Say-on-Climate-Beschluss gegeben. Einige namhafte börsennotierte Unternehmen wie Unilever, Royal Dutch Shell, Glencore, Nestlé, TotalEnergies, Iberdrola, LafargeHolcim und UBS haben bereits 2021 Say-on-Climate-Beschlüsse gefasst. Die Alzchem Group AG setzte als erstes deutsches Unternehmen ein Say-on-Climate auf ihre Tagesordnung. In der ordentlichen Hauptversammlung am 11. Mai 2023 wurde ein Konsultativbeschluss über den Klimafahrplan des Vorstands mit einer großen Mehrheit (95,3 % der abgegebenen Stimmen) gefasst. Am 30. April 2024 ließ die GEA Group Aktiengesellschaft (GEA) als erstes Unternehmen der DAX-Indexfamilie ihre Aktionär:innen einen konsultativen Say-on-Climate-Beschluss fassen. Mit 98,44% der abgegebenen Stimmen billigten sie den vom Vorstand aufgestellten „Klimaplan 2040“. Auch die Bayer AG plant, ihren Klimaschutzplan auf der kommenden Hauptversammlung im Frühjahr zur Abstimmung vorzulegen.

Obwohl die gesetzlichen Vorgaben sowohl international als auch national zurückhaltend sind, werden Initiativen zu Say-on-Climate-Beschlüssen in der nächsten Zeit ein zentrales Thema der Unternehmensstrategie und Berichterstattung sein. Der Trend zu Say-on-Climate-Beschlüssen wird voraussichtlich früher oder später auch die österreichischen Hauptversammlungen erreichen.

Dominika Szanto