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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 5|2020

Wirecard: Leerverkaufsverbot in der Kritik

8. Juli 2020

Mit der Wirecard AG hat kürzlich zum ersten Mal ein Dax-Unternehmen Insolvenz angemeldet. Hintergrund der Insolvenz sind 1,8 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten von Wirecard fehlten und sich als nicht existent herausstellten. Der Wirecard-CEO Markus Braun wurde daraufhin sogar verhaftet. Viele Anleger haben durch den Kursabsturz erhebliche Verluste erlitten. Analysten hatten kürzlich noch absurd hohe Prognosen hinsichtlich Wirecard erstellt. So hatte die Baader Bank etwa am 26.05.2020 noch ein Kursziel von 240 EUR ausgegeben.

Im Zusammenhang mit Wirecard wird nun berechtigterweise Kritik an der BaFin und den involvierten Wirtschaftsprüfern laut. Zu Wirecard ist besonders hervorzuheben, dass mehrere Leerverkäufer bereits negative Bewertungen vorgenommen und veröffentlicht haben. Zudem hat insbesondere die Financial Times immer wieder höchst kritisch zu Wirecard berichtet. Berichte der Financial Times enthielten bereits frühzeitig etwa den Vorwurf finanzieller Unregelmäßigkeiten bei Wirecard in Singapur. In dieser Gemengelage hat die BaFin vom 18.02.2019 bis 18.04.2019 ein Short-Selling-Verbot bezüglich Wirecard-Aktien verfügt. Damit hat sie Wirecard geschützt und es Aktionären verunmöglicht auf einen Kursverlust bei Wirecard zu setzen. Darüber hinaus hat die BaFin Financial-Times-Journalisten sogar wegen Marktmanipulation bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Im Nachhinein hat dieses Vorgehen der Aufsicht natürlich eine fatale Optik.

Ich habe das Vorgehen der BaFin bei Wirecard schon damals sehr kritisch gesehen. In meinem Beitrag in der Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB 2019, 179, 188) habe ich mich zum verhängten Leerverkaufsverbot etwa wie folgt geäußert:

Ausführungen zu einer ernsthaften Bedrohung der Finanzstabilität oder des Marktvertrauens durch den Kursverlust bleibt die BaFin schuldig. Es erscheint fraglich, ob die Kursverluste hinsichtlich eines Emittenten, die erklärbar waren, bereits das Marktvertrauen oder die Finanzstabilität in Deutschland bedroh(t)en. Es war jedermann möglich, die FT-Berichterstattung für sich zu bewerten und die Stellungnahmen von Wirecard waren öffentlich bekannt. Noch fragwürdiger scheint eine potenzielle Auswirkung der Kursturbulenzen bei Wirecard auf das Marktvertrauen oder die Finanzstabilität über die deutschen Grenzen hinaus. Diese wäre aufgrund des Maßstabes des Art. 24 DelVO 918/2012 aber erforderlich gewesen.”

Die BaFin hat daher ihre Befugnisse in diesem Zusammenhang klar überschritten. Im Fall des nun eingetretenen milliardenschweren Wirecard-Absturzes wiegt dies besonders schwer, auch wenn die Hauptursachen für den Absturz natürlich woanders zu suchen sind.

Dr. Sebastian Sieder

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