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Newsletter Corporate/M&A Issue 1|2016

Umlaufbeschlüsse des Aufsichtsrats

13. September 2016

Der Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften entscheidet vor allem in zeitkritischen Fällen häufig schriftlich im Umlaufweg. Mit dieser Praxis hatte sich kürzlich der OGH zu beschäftigen. Am Prüfstand war ein Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats der beklagten Aktiengesellschaft, der nur von fünf der sechs Mitglieder unterfertigt war. Betreffend das sechste Mitglied konnte im Verfahren nicht einmal festgestellt werden, ob es überhaupt Kenntnis vom Beschluss hatte.


Umlaufbeschlüsse müssen nicht einstimmig gefasst werden, es darf jedoch kein Aufsichtsratsmitglied diesem Verfahren widersprochen haben (§ 92 Abs 3 Satz 1 AktG).


Die beschlussfassende AG (der es im Verfahren genutzt hätte) argumentierte aus der fehlenden Unterschrift die Unwirksamkeit ihres eigenen Aufsichtsratsbeschlusses. Der OGH legte der beklagten AG die Behauptungs- und Beweispflicht dafür auf, dass dies gleichbedeutend mit einem Widerspruch des fehlenden Aufsichtsratsmitglieds ist. Nachdem noch nicht einmal festgestellt werden konnte, ob das nicht unterfertigende Aufsichtsratsmitglied Kenntnis vom Beschluss hatte, war die beklagte AG dieser Pflicht naturgemäß nicht nachgekommen.

Die Klägerin konnte sich in dieser OGH-Entscheidung also erfolgreich auf einen Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats ihrer Prozessgegnerin stützen, der nur von fünf der sechs Aufsichtsratsmitglieder unterfertigt war. Die Entscheidung sollte dennoch nicht Anlass für einen lockeren Umgang mit Umlaufbeschlüssen sein. Während es aufgrund der Besonderheit in diesem Falles ausnahmsweise im Interesse der beschlussfassenden AG war, dass ihr eigener Aufsichtsratsbeschluss unwirksam ist, wird der Regelfall umgekehrt sein: Die AG wird in der Lage sein wollen, die Wirksamkeit ihrer Beschlüsse zu belegen.


Die Entscheidung ist daher mE ein weiteres Argument dafür, in Umlaufbeschlüssen von jedem Aufsichtsratsmitglied neben der Zustimmung zum Beschlussinhalt selbst auch die Zustimmung zum Umlaufverfahren einzuholen und sämtliche Mitglieder unterfertigen zu lassen (entspricht soweit ersichtlich der herrschenden Praxis).


Mag. Gernot Wilfling

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