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Newsletter Corporate/M&A Issue 4|2020

OGH zum Rechtsmissbrauch beim Gesellschafterausschluss

24. November 2020

Das mittlerweile einige Jahre zurückliegende Delisting der BWT AG beschäftigte kürzlich erneut den OGH (6 Ob 56/20h). Minderheitsaktionäre der BWT AG als Beklagte in diesem Verfahren haben versucht, den Hauptversammlungsbeschluss vom August 2017 über den Gesellschafterausschluss nach GesAusG („Squeeze out“) für nichtig erklären zu lassen. Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

  • Die BWT hat mit fünf Aktienrückkaufprogrammen zwischen 2008 und 2013 (auf Basis entsprechender Hauptversammlungsermächtigungen) eigene Aktien im Ausmaß von insgesamt rund 6% des Grundkapitals erworben. Dies mit dem Ansinnen, die eigenen Aktien gegebenenfalls als Transaktionswährung zu verwenden (wozu es tatsächlich nie kam, wobei es aber mehrfach bei Transaktionen diesbezügliche Erwägungen gab). Beim Rückkauf der eigenen Aktien ist es kein Motiv oder Ziel der Gesellschaft gewesen, die Voraussetzungen für einen Gesellschafterausschluss zu schaffen.
  • In der Folge versuchte die BWT, mittels Down-stream-Verschmelzung ein kaltes Delisting aus dem Amtlichen Handel der Wiener Börse zu bewerkstelligen, scheiterte daran aber letztlich mangels höchstgerichtlich diagnostizierter Zulässigkeit der gewählten Struktur.
  • Erst dann kam die Idee eines Squeeze outs auf. Die Hauptaktionärin (bei welcher es personelle Verflechtungen mit der BWT gab) legte ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot nach ÜbG zum Kauf sämtlicher Aktien der BWT AG, um mit dem geplanten Anbot eine Aufstockung ihres BWT-Anteils auf 90% oder mehr des Grundkapitals zu erreichen (also die Voraussetzung für das Squeeze out zu schaffen), was ihr auch gelang. Die BWT hat ihre eigenen Aktien, trotz Bestehen einer Hauptversammlungsermächtigung zur Wiederveräußerung eigener Aktien auf anderem Weg als über die Börse oder ein öffentliches Angebot, im Zuge des Übernahmeangebots nicht an die Hauptaktionärin verkauft.
  • Sodann wurde in der erwähnten Hauptversammlung über den Antrag der Hauptaktionärin auf Gesellschafterausschluss abgestimmt, welcher (wenig überraschend) die erforderliche Mehrheit erzielte.

Die klagenden Minderheitsaktionäre sind der Ansicht, das Gesellschafterausschlussverlangen sei rechtsmissbräuchlich, treu- und sittenwidrig, weil die Hauptaktionärin ihre 90%ige Beteiligung nur erreicht habe, indem die BWT in gemeinsamer Abstimmung mit ihr ihre eigenen Aktien pflichtwidrig nicht verkauft habe. Ohne das pflichtwidrige Behalten der Aktien wäre das Squeeze out nach Ansicht der Klägerinnen entweder gescheitert oder der Hauptaktionärin wesentlich teurer gekommen. Der BWT und damit (indirekt) auch ihren Minderheitsaktionären sei ein beträchtlicher finanzieller Nachteil entstanden, weil sich der Wert der eigenen Aktien (der Übernahmepreis im Übernahmeverfahren betrug EUR 23 je Aktie, die Abfindung beim Gesellschafterausschluss dagegen EUR 16,51) nicht im Vermögen der Gesellschaft wiederfinde. Gleichzeitig sei die Hauptaktionärin pflichtwidrig begünstigt worden.

Die Klägerinnen unterlagen der BWT in diesem Verfahren (aus meiner Sicht nicht überraschend) in allen Instanzen. Die wesentliche Begründung des OGH, weshalb Rechtsmissbrauch nicht vorlag:

  • Das AktG sieht nur für bestimmte (hier nicht anwendbare) Fälle eine Veräußerungspflicht betreffend eigener Aktien vor. Aus einem Gegenschluss ist abzuleiten, dass in den übrigen Fällen gerade kein Abbau des Bestands eigener Aktien geboten ist; eine Aktiengesellschaft darf daher zulässigerweise erworbene eigene Aktien auch auf Dauer behalten.
  • Dadurch, dass die Aktienrückerwerbe mit der Zielsetzung, die erworbenen eigenen Aktien gegebenenfalls als Transaktionswährung einsetzen zu können, erfolgten, sind die eigenen Aktien der BWT für einen anderen Einsatz „gesperrt“. Ein Verkauf der eigenen Aktien im Übernahmeverfahren kam für die BWT daher nicht in Frage.
  • Überhaupt sei der Gesellschafterausschlussbeschluss selbst nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen. Der Gesetzgeber habe mit dem GesAusG nämlich bereits die Interessenabwägung zwischen Hauptgesellschafter und Minderheitsaktionären vorgenommen und diese Grundentscheidung für die Zulässigkeit eines Gesellschafterausschlusses dürfe nicht konterkariert werden; die Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre vielmehr nur dann möglich, wenn gerade die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt würden. Letzteres war nach dem im Verfahren festgestellten Sachverhalt aber gerade nicht der Fall, weil bei Durchführung der Aktienrückkaufprogramme das Squeeze out nicht Motiv oder Ziel gewesen ist.
  • Ein sorgfaltswidriges Unterlassen des Verkaufs der eigenen Aktien könnte daher zwar den Vorstand möglicherweise schadenersatzpflichtig machen; nicht jedes sorgfaltswidrige Vorgehen ist aber zugleich schon rechtsmissbräuchlich.

Auch andere, von den klagenden Minderheitsaktionären zur Stützung ihres Begehrens vorgebrachte Argumente teilte der OGH nicht. Dazu gehört etwa die Behauptung, die Anordnung im GesAusG, dass eigene Aktien bei der Berechnung der 90%-Schwelle für das Ausschlussverlangen nicht mitzuzählen sind, sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Auch behauptete Informationspflichtverletzungen, Verletzungen des Auskunftsrechts der Aktionäre und Befangenheiten sah das Höchstgericht im gegenständlichen Fall nicht.

Mag. Valentina Treichl, BA

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