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Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2021

OGH: Haftung des faktischen Geschäftsführers einer GmbH bei Insolvenzverschleppung

25. August 2021

Kürzlich hatte sich der OGH wieder einmal mit dem „faktischen Geschäftsführer“ zu beschäftigen, namentlich mit der Frage, ob dieser neben dem handelsrechtlichen Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung haftet (OGH 17 Ob 5/21s). Eine Versicherung hatte in Folge der Insolvenz einer GmbH nicht nur deren handelsrechtlichen Geschäftsführer (Erstbeklagter) auf Schadenersatz in Anspruch genommen, sondern auch die Mutter der Alleingesellschafterin der Gesellschaft (Zweitbeklagte). Letztere war bei der GmbH teilzeitbeschäftigt und übernahm unter anderem einige Einkaufs- und Verkaufsaufgaben. Die Zweitbeklagte führte für die später insolvente Gesellschaft auch in diversen Besprechungen das Wort, wirkte dabei emotional und setzte sich für die Gesellschaft ein. Sie hatte aber nach den Feststellungen keine Einsicht in die finanzielle Situation der GmbH.

Unter faktischem Geschäftsführer versteht der OGH eine Person, die das Unternehmen leitet, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein. Dabei ist der (zumindest) maßgebliche Einfluss auf die Geschäftsführung und die tatsächliche Leitung der Gesellschaft anstelle des bestellten Geschäftsführers wesentlich. Die handelsrechtlichen Geschäftsführer üben im Falle eines faktischen Geschäftsführers ihre Organfunktion als quasi Strohmänner nicht selbst aus; vielmehr werden ihre Aufgaben eben von einem Dritten, dem faktischen Geschäftsführer, wahrgenommen (häufig handelt es sich dabei um einen Mehrheitsgesellschafter, der sich aus irgendwelchen Gründen nicht selbst zum Geschäftsführer bestellen wollte oder konnte).

Der faktische Geschäftsführer muss laut OGH auf den handelsrechtlichen Geschäftsführer im Falle einer Insolvenz einwirken, damit dieser seiner Pflicht zur Insolvenzanmeldung nachkommt. Tut er das nicht, macht er sich selbst haftbar. Im konkreten Fall sah der OGH in der Involvierung der Mutter in die Geschäfte der GmbH keine faktische Geschäftsführung. Die Funktion der zweitbeklagten Mutter führe nicht dazu, dass der erstbeklagte handelsrechtliche Geschäftsführer in der Gesellschaft nicht „das Sagen gehabt“ hätte. Beim eingangs erwähnten Aufgabenbereich der Zweitbeklagten handle es sich vielmehr um eine Aufgabendelegierung an eine Angestellte einer GmbH. Die für die Verantwortlichkeit nach § 69 IO maßgebenden Bereiche – vor allem die Finanzangelegenheiten – blieben ja weiterhin im Verantwortungsbereich des Erstbeklagten.

Auch wenn die hier mitbeklagte potenzielle faktische Geschäftsführerin im konkreten Fall ungeschoren davon kam zeigt die Entscheidung einmal mehr, welche Risiken mit dem „Hineinregieren“ in eine Gesellschaft auch dann verbunden sind, wenn man formal keine Organfunktion hat.

Ekaterina Shapatkovskaya

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