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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 7|2017

Neue Judikatur zur Ad-hoc-Pflicht

17. Oktober 2017

Kaum ist die VERBUND-MoU-Thematik endgültig beendet (wir haben dazu im Newsletter 2|2016 und im Newsletter 4|2017 ausführlich berichtet), geht ein neuer Ad-hoc-Pflicht-Verletzungs-Fall durch die Instanzen. Diesmal geht es um die Meldepflicht eines Büromöbelherstellers nach Erhalt eines Großauftrags. Die Emittentin hatte die Unterzeichnung eines „Project Agreements“ mit einem vorläufigen Auftragswert von rund EUR 27,5 Millionen nicht ad-hoc bekannt gegeben. Im ersten Auftragsjahr 2014/2015 erwartete sich die Emittentin hieraus einen Deckungsbeitrag von EUR 2,1 Millionen. Zum Vergleich: Im Jahr 2013/2014 realisierte die Emittentin einen Verlust von EUR 28,6 Millionen. Die FMA stellte zudem fest, dass der Großauftrag für die Sanierungsfähigkeit der Emittentin am Kapitalmarkt eine immense Symbolwirkung gehabt habe.

Die Kernaussagen des BVwG, welches die von der FMA über die Vorstände der Emittentin verhängten Geldstrafen wegen Ad-hoc-Pflicht-Verletzung dem Grunde nach bestätigte:

  • Der Abschluss des Project Agreements war eine „genaue“ (nunmehr: präzise) Information. Der Vorstand habe dem Aufsichtsrat „mit Stolz“ über die Auftragsakquise berichtet und konnte bereits das Umsatzvolumen für das erste Auftragsjahr, eine monatliche Cashflow-Planung über einen Zeitraum von zwei Jahren sowie die Entwicklung der Deckungsbeiträge abschätzen. Dass bezüglich der Auftragsabwicklung noch Unwägbarkeiten bestanden, die im Extremfall zu einem Abbruch des Auftrags führen hätten können, ändert daran nichts.
  • Dass die Emittentin viel kleinere Großaufträge traditionell bloß als Pressemeldungen bekanntmachte, spielt für die Beurteilung der Ad-hoc-Pflicht keine Rolle.
  • Zur Kurserheblichkeit wischte das BVwG Vorbringen zum schlechten finanziellen Zustand der Emittentin, aufgrund dessen laut Vorbringen der Beschwerdeführer kein Anleger im inkriminierten Zeitraum je in Aktien der Emittentin investiert hätte, als Schutzbehauptung vom Tisch. Dies nach meinem Verständnis primär weil eine positive Fortbestehensprognose für die Emittentin vorlag. Es sei im Verfahren gerade nicht hervorgekommen, dass ein verständiger Anleger sämtliche positiven Nachrichten betreffend die Emittentin außer Betracht gelassen hätte.
  • Vorhersehbare Meldungen sind binnen einer Stunde ab Eintritt des Ereignisses zu veröffentlichen, völlig unvorhergesehene Ereignisse binnen weniger Stunden ab Kenntnis.

Zudem hat die Ad-hoc-Pflicht, die ja bekanntlich als Schutzgesetz von Anlegern für behauptete Schadenersatzansprüche herangezogen wird, auch wieder einmal den Obersten Gerichtshof (OGH) beschäftigt (OGH 25.4.2017, 10 Ob 57/16d). Zentral waren diesmal Beweismaß und notorische Tatsachen in Zusammenhang mit der Ad-hoc-Meldepflicht. Zur Frage, ob der Anleger bei Einhaltung der Ad-hoc-Meldepflicht vom Inhalt der Meldung erfahren hätte, gilt laut OGH ein geringeres Beweismaß (gemäß ständiger Rechtsprechung überwiegende Wahrscheinlichkeit im Vergleich zur sonst geforderten hohen Wahrscheinlichkeit). Im konkreten Fall hielt es das Berufungsgericht für notorisch, dass der Anleger von einer tatsachenkonformen Ad-hoc-Mitteilung erfahren hätte (es ging – wieder einmal – um die vieldiskutierte unrichtige Ad-hoc-Meldung zur MEL-Kapitalerhöhung im Februar 2007). Der OGH trat diesem Vorgehen entgegen und hob die Entscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels auf. Das Berufungsgericht dürfe zwar über den erstgerichtlich festgestellten Sachverhalt hinaus offenkundige Tatsachen ohne Beweisaufnahme ergänzend seiner Entscheidung zugrunde legen. Ein solches Vorgehen muss aber mit den Parteien erörtert werden, wenn der Gegenbeweis der Unrichtigkeit nicht geradezu aussichtlos erscheint.

Mag. Gernot Wilfling