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Newsletter Kapitalmarktrecht Issue 6|2020

Neue Informationspflicht des Emittenten über „corporate events“

9. September 2020

§ 180 BörseG enthält für Gesellschaften mit Aktien im Amtlichen Handel der Wiener Börse seit Kurzem Vorgaben zur Bereitstellung von Informationen an alle ihre Aktionäre. Klar ist, dass die Informationsbereitstellung über Banken als Intermediäre entlang der Verwahrkette erfolgt (theoretisch ginge zwar auch eine Direktinformation der Gesellschaft an den jeweiligen Aktionär, bei sammelverwahrten Inhaberaktien scheidet dies aber mangels Kenntnis aller Aktionäre regelmäßig aus). Über welche Umstände genau man die Aktionäre nun zu informieren hat, ist dagegen schon weniger klar.

Das BörseG spricht zunächst von „Informationen, die die Gesellschaft dem Aktionär erteilen muss, damit der Aktionär aus seinen Aktien erwachsende Recht ausüben kann, und die für alle Aktionäre bestimmt sind, die Aktien der betreffenden Gattung halten“. In Art 1 Z 3 der DurchführungsVO zur 2. AktionärsrechteRL („DVO“) findet sich dazu eine weiterführende Definition: „Unternehmensereignis“ eine vom Emittenten oder einem Dritten initiierte Maßnahme, die die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Rechte beinhaltet und die zugrundeliegende Aktie beeinflussen kann, z.B. die Gewinnausschüttung oder eine Hauptversammlung;“.

Der Begriff des Unternehmensereignisses wird in der deutschen Literatur nachvollziehbarerweise als mit dem in der Praxis gebräuchlichen Begriff der „Corporate Actions“ deckungsgleich angesehen. Neben Kapitalmaßnahmen wie Kapitalerhöhungen, -herabsetzungen und -berichtigungen sollen demnach insbesondere auch Übernahmeangebote und Squeeze Outs erfasst sein. Zweifelsfrei ist auch die Einberufung der Hauptversammlung ein Unternehmensereignis. Weiters werden in der deutschen Literatur etwa Informationen über Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechte sowie über Wahlrechte bei Dividenden als vom Begriff „Unternehmensereignis“ umfasst angesehen, nicht dagegen Options- und Wandelanleihen sowie Genussscheine (weil sie keine „mit den Aktien verbundenen Rechte“ gewähren). Reine PR-Informationen (wie zum Beispiel Quartalsergebnisse oder Änderungen in der Zusammensetzung der Organe), die Emittenten sonst üblicherweise als „Corporate News“ veröffentlichen, werden in aller Regel ebenso kein Unternehmensereignis darstellen.

Für Unklarheit sorgt(e) in der eingangs zitierten Definition insbesondere die Wendung „und die zugrundeliegende Aktie beeinflussen kann“. Ein Blick auf andere Sprachfassungen („which may or may not affect the underlying share“; „qui peut avoir ou non“; „che può incidere o meno sull’azione sottostante“) zeigt aber, dass es auf mögliche Auswirkungen des „Unternehmensereignisses“ auf die Aktie gerade nicht ankommt. Andernfalls wäre auch schwer ersichtlich, wie sich etwa die explizit genannten Gewinnausschüttungen darunter subsumieren lassen sollten, die ja keine Auswirkungen auf das Mitgliedschaftsrecht selbst haben.

In Zusammenhang mit der Gewinnverwendung wird dem Vernehmen nach auch diskutiert, ob die Information darüber, dass der Gewinn zur Gänze thesauriert wird, also gerade keine Gewinnausschüttung stattfindet, auch eine nach § 180 BörseG zu kommunizierende Information ist. Dass in der Definition explizit nur auf Gewinnausschüttungen abgestellt wird, mag man als Argument dagegen werten, die Aufzählung ist aber ohne Zweifel nur beispielhaft. Gegen eine Veröffentlichungspflicht spricht aus unserer Sicht aber auch, dass die Verordnung mit der Information über Gewinnausschüttungen wohl Dividendenbekanntmachungen meint, die es bei vollständiger Thesaurierung gerade nicht gibt. Eine abschließende Beurteilung der Thematik müssen wir hier aber, weil den Rahmen dieser Kurzinformation sprengend, letztlich aussparen.

Mag. Gernot Wilfling / Dr. Sebastian Sieder

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