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Newsletter Erbrecht und Vermögensnachfolge Issue 3|2022

Kann man Streit im Erbfall durch vorgezogene Schenkungen vermeiden?

19. Mai 2022

1. Einleitung

Der vorliegende Beitrag ist eine gekürzte Version unseres aktuellen Blogbeitrags auf derStandard.at. In unserer Blogserie „Erben ohne Streit“ beschäftigen wir uns regelmäßig mit spannenden erbrechtlichen Themen.

Zu Lebzeiten gemachte Schenkungen reduzieren das Vermögen, das später vererbt wird. Es ist freilich zulässig, dass man zu Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügt. Erbrechtlich ist diese Verfügungsmacht allerdings insoweit beschränkt, als dadurch der Pflichtteilsanspruch nicht ausgehöhlt werden kann. Die sogenannte Schenkungsanrechnung regelt, wann und in welcher Höhe solche Schenkungen erbrechtlich zu berücksichtigen sind.

2. Hinzu- und Anrechnung einer Schenkung

Eine grundsätzliche Unterscheidung erfolgt hierbei bereits hinsichtlich des Kreises der beschenkten Personen. Zu differenzieren ist zwischen Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte und Schenkungen an Dritte.

Schenkungen an Dritte sind nur dann erbrechtlich zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb einer Zweijahresfrist vor dem Tod des Verstorbenen gemacht wurden. Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte sind hingegen unbefristet zu berücksichtigen.

Die Hinzu- und Anrechnung nach dem Ableben des Geschenkgebers funktioniert wie folgt:

  1. Zunächst ist der Wert der gemachten Schenkung der Verlassenschaft rechnerisch hinzuzurechnen.
  2. Ist der Beschenkte zugleich pflichtteilsberechtigt, hat er sich die Schenkung anrechnen zu lassen. Der Wert der Schenkung ist daher von seiner Quote wieder abzuziehen.

Ist der erhöhte Pflichtteil nicht durch die Verlassenschaft gedeckt, kann der Pflichtteilsberechtigte diese Differenz vom Beschenkten fordern. Konflikte ergeben sich hier vor allem iZm der Bewertung von Schenkungen.

3. Bewertung der Schenkung

Schenkungen erfolgen mitunter viele Jahre vor dem Tod des Verstorbenen. Es stellt sich daher die Frage, wie der Schenkungsgegenstand zu bewerten ist und vor allem zu welchem Zeitpunkt.

Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Indexanpassung einheitlich für alle Schenkungsgegenstände vorzunehmen. Dies dient zwar der Einfachheit, allerdings kann es zu erheblichen Ungerechtigkeiten kommen. So ist der Wert von Immobilienvermögen in den letzten 10 Jahren in der Regel höher gestiegen als der VPI. Umgekehrt hatte man Mühe, bei der Veranlagung von Kapitalvermögen mittels sicheren Investments überhaupt mit dem VPI Schritt zu halten.

4. Empfehlung

Damit es iZm Schenkungen nicht zu erbrechtlichen Auseinandersetzungen kommt, muss man sich zunächst darüber bewusst sein, dass Schenkungen bei der Ermittlung der Pflichtteile berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich, den Wert der Schenkung zum Schenkungszeitpunkt zu dokumentieren, um Streitigkeiten über die Bewertung zu vermeiden.

Werden größere Vermögenswerte verschenkt, bietet es sich möglicherweise an, andere Pflichtteilsberechtigte über Vermögensrechte an der Schenkung zu „beteiligen“ oder auch Verzichtserklärungen einzuholen. Generell sollten größere Schenkungen nicht ohne Berücksichtigung der pflichtteilsrechtlichen Konsequenzen gemacht werden und erfordern daher sorgfältige Prüfung erbrechtlicher Fragestellungen.

DDr. Katharina Müller, TEP
Dr. Martin Melzer, LL.M.

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