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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 4|2020

Hauptversammlungen in Zeiten von Corona

16. April 2020

Durch die COVID-19 bedingten Beschränkungen, die bekanntlich auch ein Veranstaltungs- und Versammlungsverbot enthalten, können Gesellschafterzusammenkünfte derzeit bekanntlich nicht in ihrer gewohnten Form durchgeführt werden. Daher sieht das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz vor, dass (unter anderem) Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften auch ohne physische Anwesenheit der Aktionäre durchgeführt und Beschlüsse auch auf andere Weise gefasst werden können. Die Bundesministerin für Justiz hat nun – basierend auf der ihr mit dem COVID-19-Gesetz erteilten Ermächtigung – kürzlich eine Verordnung mit Detailregelungen erlassen. Wir stellen nachfolgend die wesentlichen Bestimmungen und damit verbundene Praxisthemen kurz dar.

Nach der Verordnung ist es für eine sogenannte „virtuelle Hauptversammlung“ ausreichend, wenn eine Teilnahmemöglichkeit der Aktionäre an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Verbindung in Echtzeit besteht. Anders als etwa bei virtuellen Aufsichtsratssitzungen ist für Hauptversammlungen also keine Zweiweg-Verbindung erforderlich, was ein bei vielen Teilnehmern sonst bestehendes, großes Problem in der praktischen Handhabe löst.

Für Technikmuffel und -verweigerer geht die Verordnung noch weiter: Maximal die Hälfte der Teilnehmer kann mit der Hauptversammlung nur akustisch (also etwa über Telefon) verbunden sein. Dies laut Verordnungstext, wenn betroffene Teilnehmer nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung verfügen oder solche Mittel nicht verwenden können oder wollen. Die Bestimmung ist uE ein „kann“ – die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, eine bloß akustische Teilnahme zu ermöglichen.

Betreffend die Ausübung der Aktionärsrechte ist uE zu unterscheiden: Das Auskunftsrecht könnte der Aktionär wohl auch selbst direkt bei der Gesellschaft ausüben können müssen (strittig). Es ist aber jedenfalls nicht zwingend, dass er sich tatsächlich zu Wort melden kann. Es reicht jedenfalls, eine Möglichkeit zur Verfügung zu stellen, damit der Aktionär während der Hauptversammlungen Fragen direkt an die Gesellschaft richten kann (praktisch wird dies über eine E-Mail-Adresse erfolgen). Der Versammlungsleiter verliest die erhaltenen Fragen der Aktionäre (oder lässt sie verlesen). Betreffend die anderen Aktionärsrechte geht die Verordnung noch deutlich weiter. Von den verschiedenen vorgesehenen Möglichkeiten dürfte sich die besondere Stimmrechtsvertretung in der Praxis börsennotierter Gesellschaften durchsetzen. Aktionäre müssen hierbei für die Stellung von Beschlussanträgen, die Stimmabgabe und die Erhebung von Widersprüchen einen von (mindestens) vier von der Gesellschaft vorgegebenen besonderen Stimmrechtsvertretern auswählen und diesem eine Vollmacht erteilen. Die Stimmrechtsvertreter müssen generell geeignet und von der Gesellschaft unabhängig sein. Zudem müssen zumindest zwei Stimmrechtsvertreter entweder Rechtsanwalt oder Notar sein. Die Aktionäre können in solchen COVID-Hauptversammlungen also die genannten Rechte weder selbst ausüben, noch ihren Vertreter frei wählen. Es muss jedoch vorgekehrt werden, dass Aktionäre ihre Instruktionen an Stimmrechtsvertreter auch während der Versammlung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch abändern (z.B. einen weiteren Beschlussantrag stellen) können (wird in der Praxis wohl per E-Mail an eine spezielle Adresse des Stimmrechtsvertreters erfolgen). Damit soll sichergestellt sein, dass Aktionäre auf den Verlauf der Hauptversammlung reagieren können.

Für die Abstimmung könnte von den Gesellschaften übrigens alternativ auch eine spezielle Abstimmungssoftware für Fernabstimmung zum Einsatz kommen und/oder eine Briefwahl ermöglicht werden (jeweils auch ohne dazu von der Satzung ermächtigt zu sein). Praktische Bedeutung erlangt dies unserer Wahrnehmung nach nicht; auch weil mit der vorstehend beschriebenen Stimmrechtsvertretung ein für die Gesellschaften praktikabler (und einfacherer) Weg zur Verfügung steht.

Sehr praxisrelevant ist dagegen die Gestaltung der Dokumente für die virtuelle Hauptversammlung. Neben der Adaptierung der Einladungstexte, der Aktionärsinformation und der Stimmrechtsformulare sind auch im Sitzungsspiegel viele Anpassungen vorzunehmen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Wir beraten nicht nur im Hinblick auf Details zur Durchführung von COVID-19-Hauptversammlungen, sondern übernehmen auch für mehrere Gesellschaften die Funktion eines Stimmrechtsvertreters. Sollten auch Sie diesbezüglich Bedarf haben, freuen wir uns über Ihre Anfrage!

Mag. Gernot Wilfling / Dr. Sebastian Sieder

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