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Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2021

Distressed M&A – Unternehmenskauf in der Krise

25. August 2021

In der aktuellen Corona-Krise rückt der Begriff Distressed M&A wieder vermehrt in den Fokus. Vor der Pandemie durchaus erfolgreiche Unternehmen müssen jetzt mitunter über einen Notverkauf nachdenken.

Ist ein Unternehmen in Schieflage geraten, kann durch den Verkauf von Betriebsteilen oft eine Krise abgewendet werden. Mit dem Erlös werden häufig Gläubiger befriedigt und im Idealfall ein Insolvenzverfahren verhindert. Ist das gesamte Unternehmen bereits insolvent, kann der Verkäufer zumindest durch den Notkauf die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter retten. Für den Käufer wiederrum bietet sich die Chance, Unternehmen/-steile günstig zu kaufen und so am Markt zu partizipieren, ohne ein eigenes Unternehmen von Grund auf aufbauen zu müssen. Zudem bietet es für Käufer auch die Chance, liquiditätsarme Wettbewerber vom Markt zu verdrängen.

Der Kauf kann ein Share- oder Asset-Deal sein. Beim Share-Deal werden Anteile (meist alle) an einem Unternehmen erworben, beim Asset-Deal erwirbt der Käufer bestimmte Betriebsmittel oder Betriebsteile.

Der Asset-Deal hat den Vorteil, dass zwischen den Parteien nur vereinbarte Gegenstände des Betriebs übertragen werden. Der Käufer kann sich hier die Rosinen herauspicken, denn nur was im Kaufvertrag vereinbart wurde, wird letztlich auch übernommen. Die Risiken eines Fehlkaufs verringern sich dadurch. Die Gefahren, die sich beim Erwerb des Unternehmens vor Insolvenzeröffnung durch einen Share- oder Asset-Deal ergeben können, sind, dass unentdeckte Insolvenzgründe aufkommen, die zu einer Insolvenz führen, und dass der Kaufvertrag oder die Übertragung der Vermögensgegenstände durch den Insolvenzverwalter angefochten wird.

Der Share-Deal hat den Vorteil, dass er eine schlanke Transaktion ist, die schnell umgesetzt werden kann, birgt allerdings das Risiko, dass Verbindlichkeiten und „Altlasten“ auf den Käufer mitübergehen. Es verhält sich ein bisschen wie Schrödingers Katze. Bevor man ein Unternehmen kauft, kann es sowohl „lebendig“ als auch schon „tot“ sein und oft stellt sich erst im Nachhinein das eine oder das andere heraus.

Um dieses Risiko zu minimieren, ist es wichtiger denn je eine eingehende Due Diligence durchzuführen, um Chancen und Risiken des geplanten Unternehmenskaufs abzuklären oder anders gesagt, um herauszufinden „ob die Katze noch lebt“. Praktisch tun sich hier naturgemäß einige Probleme auf. Zum einen liegen bei Unternehmen in der Krise oft keine vollständigen oder sinnvoll geordneten Daten vor, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Zum anderen steht der Erwerb natürlich unter einem gewissen Zeitdruck. Hat man bei normalen M&A-Deals oft mehrere Monate für eine Due Diligence Zeit, sind es beim Unternehmenskauf in der Krise oft nur wenige Wochen.

Der Grund für den erhöhten Zeitdruck liegt in der Verschlechterung der Sanierungs- bzw Reorganisationschance je länger sich das Unternehmen in der Krise befindet. Zudem besteht für sämtliche Teilnehmer des M&A-Deals ein erhöhtes Risiko der Haftung wegen schuldhafter Verschlechterung der Gläubigerinteressen, insbesondere das Risiko der Haftung wegen Insolvenzverschleppung.

Zeitraubend kann auch die Ermittlung des Kaufpreises sein. Bei einem Unternehmen in der Krise, bei dem zwangsläufig Ertrags- und Liquiditätsengpässe vorliegen, ist es nicht einfach einen angemessenen Wert zu ermitteln. Man sollte hier auf jeden Fall die Entwicklungschancen des Zielunternehmens mit berücksichtigen.

Grundsätzlich ist es immer eine Frage des richtigen Zeitpunkts, wann ein Unternehmen erworben wird. Es gibt verschiedene gute Gründe, die für den Erwerb noch vor der Insolvenzeröffnung sprechen. Die Verkaufsverhandlungen können noch auf exklusiver Basis zwischen den Parteien geführt werden. Nach Insolvenzeröffnung werden sie dagegen mit dem Insolvenzverwalter stattfinden müssen. Dieser hat unter anderem die Interessen des Insolvenzgerichts und der Gläubiger zu berücksichtigen. Weiters muss der Insolvenzverwalter das Unternehmen an den Bestbietenden veräußern, während es dem Verkäufer vor der Insolvenz noch frei steht, an wen er veräußern möchte und wie die vertragliche Gestaltung und Umsetzung der Transaktion aussehen soll. Eine Insolvenzeröffnung hat zudem rufschädigenden Charakter, was die Stellung des Unternehmens am Markt deutlich beeinträchtigen kann. Wird das Unternehmen also noch in der Krise und nicht schon in der Insolvenz erworben, sorgt man für den Erhalt bestehender Geschäftsbeziehungen und des wirtschaftlichen Ansehens. Weiters sieht das Gesetz unterschiedliche Sanierungsprivilegien beim Beteiligungserwerb in der Krise vor.

Auch der Erwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist möglich. Hier sollte allerdings bedacht werden, dass in einem solchen Erwerb noch andere Parteien beteiligt sind. Neben dem Insolvenzverwalter selbst sind auch noch Gläubiger- und Gesellschafterinteressen zu beachten. Natürlich liegt es auch im Interesse des Insolvenzverwalters, Unternehmensteile so gut als möglich zu verkaufen. Und die Gefahr der Anfechtung von Erwerbsvorgängen ist natürlich deutlich geringer. Für Käufer mit einem guten Sanierungskonzept, bietet sich also hier die Chance ein Unternehmen zu erwerben, welche sie sonst auf einem florierenden Markt nicht gehabt hätten.

Beim Erwerb eines Unternehmens in der Krise kommt es also auf das Timing an. Können Risiken abgeschätzt oder verringert werden, bietet ein Kauf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens viele Gestaltungsmöglichkeiten. Droht bereits die Insolvenz und bringt der Käufer ein starkes Sanierungskonzept mit, hat es gewiss auch Vorteile das Insolvenzrecht und dessen Sanierungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Mag. Valentina Treichl, BA

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