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Newsletter Kapitalmarktrecht Issue 7|2020

Die virtuelle „Corona-Hauptversammlung“ – Eine empfehlenswerte Alternative auch im Winter

15. Oktober 2020

Die Corona-Pandemie hat nicht nur das gesellschaftliche Leben, sondern auch das Gesellschaftsrecht kräftig durcheinandergewirbelt und dabei Türen geöffnet, die bis zu diesem Zeitpunkt verschlossen waren. So war es vor Corona bei der Aktiengesellschaft etwa nicht möglich, eine rein virtuelle Hauptversammlung abzuhalten. Seit nunmehr rund einem halben Jahr geht das bekanntlich und ist bei börsenotierten Gesellschaften auch schon vielfach praxiserprobt. Die dies regelnde COVID-19-GesV läuft zwar mit Jahresende aus, eine Nachfolgeregel gilt aber als so gut wie fix, auch wenn die eine oder andere Änderung im Raum steht. Die virtuelle Hauptversammlung wird bei Aktiengesellschaften mit großer Aktionärszahl daher sicher auch in den nächsten Monaten die bevorzugte Variante für Aktionärstreffen sein. Nachfolgend geben wir einen Überblick über bisherige Erfahrungen. 

Im Gegensatz zu anderen virtuellen Versammlungen, bei denen eine akustische und optische Zweiweg-Verbindung bestehen muss, ist es bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft mit mehr als 50 Aktionären unter Umständen bekanntlich möglich, die Teilnahme der Aktionäre nur mittels akustischer und optischer Einweg-Verbindung in Echtzeit vorzusehen. Dies erfolgt in der Praxis österreichischer börsenotierter Unternehmen (Emittenten) über einen Livestream im Internet, wobei die Emittenten für die technische Umsetzung in der Regel auf externe Dienstleister zurückgreifen. Gesetzlich klargestellt ist, dass die Gesellschaft für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln nur insoweit verantwortlich ist, als dies ihrer Sphäre zuzurechnen ist. Anfängliche Themen mit der Technik hat man mittlerweile im Griff. 

Der Aktionär kann sich (bedingt durch die Einweg-Verbindung) in der virtuellen Hauptversammlung in der derzeit gebräuchlichen Ausprägung nicht direkt selbst zu Wort melden, Anträge stellen, abstimmen oder Widerspruch gegen Beschlüsse erheben. In der bisherigen Praxis wird das Auskunftsrecht in der Regel über eine E-Mail-Adresse des Emittenten direkt bei diesem ausgeübt, wobei Fragen auch noch während der Hauptversammlung übermittelt werden können (gesetzlich zwingend). Die Stellung von Beschlussanträgen, die Stimmabgabe und die Erhebung von Widersprüchen erfolgt nach derzeitiger Praxis durch vier besondere Stimmrechtsvertreter, welche der Emittent auswählt (und bezahlt). Die Stimmrechtsvertreter müssen vom Emittenten unabhängig sein und agieren als Vertreter der Aktionäre. Von den vier Personen müssen zumindest zwei dem Berufsstand der Rechtsanwälte oder Notare angehören. Für die Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung durch den Aktionär ist also nach derzeit gebräuchlicher Praxis neben der rechtzeitigen Anmeldung mit Depotbestätigung auch die Erteilung einer Vollmacht an einen der vier besonderen Stimmrechtsvertreter erforderlich. Es arbeitet aber (zumindest) ein Emittent auch schon an einer technischen Lösung für ein elektronisches Abstimmungstool, über welches die Aktionäre die vorgenannten – wichtigen – Aktionärsrechte im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung selbst ausüben werden können. 

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Zahl der Aktionärsfragen gegenüber physischen Hauptversammlungen im Regelfall geringer ist und die Redebeiträge der Aktionäre fokussierter sind. Nachdem die Generaldebatte ein erheblicher Zeitfaktor bei der Hauptversammlung ist verwundert es nicht, dass die virtuellen Hauptversammlungen österreichischer Emittenten in vielen Fällen kürzer waren als deren physische Pendants. Mitunter deswegen kommt das virtuelle Format unserer Wahrnehmung nach bei den Emittenten sehr gut an. 

Auch das Kostenthema ist wesentlich weniger gravierend als oft diskutiert: Je nach üblicher Teilnehmerzahl und abhängig davon, ob sich der Emittent die Miete für externe Räumlichkeiten sparte, wurde schon bei der heuer bekanntlich jeweils erstmaligen Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung zum Teil von niedrigeren oder in etwa gleich hohen Kosten wie bei physischen Hauptversammlungen berichtet. Bei weiteren virtuellen Versammlungen desselben Emittenten werden die Kosten, da auf bereits geschaffenen Standards aufgesetzt werden kann, wohl noch weiter sinken. 

Wir haben seit Schaffung des virtuellen Formats (auch bei zwischenzeitlich besseren COVID-19-Fallzahlen) durchgehend für die Nutzung desselben plädiert. Dieser Rat gilt in der derzeitigen Situation mit wieder sehr hohen Fallzahlen natürlich umso mehr. Zu hoffen bleibt, dass der Verordnungsgeber der COVID-19-GesV für die Zeit nach 31.12.2020 rasch Klarheit schafft (ein Initiativantrag für eine Verlängerung bis 30.06.2021 kursiert gerade). Auch im Jänner steht immerhin die eine oder andere Hauptversammlung börsenotierter Unternehmen am Programm. Vor allzu großen Änderungen warnen wir hier insbesondere deswegen, weil sich das Format im Grunde gut bewährt hat. Die eine oder andere (weitere) Erleichterung für Emittenten, etwa bei der Zahl der Stimmrechtsvertreter, wäre aber begrüßenswert. 

Mag. Valentina Treichl, BA

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