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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 8|2021

Der Pranger unserer Zeit – Naming and Shaming

24. November 2021

Hört man das Wort „Pranger“, kommt einem sofort der Geschichtsunterricht in den Sinn. Vor dem inneren Auge sieht man Verurteilte in Ketten gelegt, am öffentlichen Marktplatz zur Schau gestellt und der allgemeinen Verachtung preisgegeben. Ein „Pranger“ unserer Zeit findet sich für die Finanzbranche unter dem selbsterklärenden Titel „Naming and Shaming“ in zahlreichen Aufsichtsgesetzen (zB § 190 InvFG, § 288 VAG 2016, § 100 WAG 2018, § 161 BörseG 2018, § 37 KartG, § 99c BWG, § 37 FM-GwG, § 105 ZaDIG, uvm). Der „öffentliche Marktplatz“ ist freilich der virtuellen Welt gewichen, konkret der Website der FMA.

Beim „Naming and Shaming“ werden (vorgeblich auch im Interesse des Anlegerschutzes) verwaltungsrechtliche Sanktionen und Maßnahmen ungeschwärzt auf der FMA-Website veröffentlicht. Eine anonyme Veröffentlichung ist nur ausnahmsweise möglich und eher die Ausnahme als die Regel. Ist man aber erst einmal namentlich auf der FMA-Website bloßgestellt, ist der Reputationsschaden angerichtet.

Kein Wunder, dass den Rechtsunterworfenen daran gelegen ist, wenn überhaupt dann zumindest erst nach endgültigem Abschluss des zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens an den Pranger gestellt zu werden. Bei manchen Materiengesetzen ist das eine Illusion, weil schon gesetzlich angeordnet ist, dass bereits erstinstanzliche Entscheidungen sofort zu veröffentlichen sind (so etwa im BörseG, wo die FMA unabhängig von einer allfälligen Beschwerde an das BVwG ihre Strafen sofort nach Verhängung veröffentlicht). Im Investmentfondsgesetz ist das anders: Hier dürfen Strafen erst nach Rechtskraft verhängt werden. Und die diesbezügliche Bestimmung beschäftigte unlängst sogar den Verfassungsgerichtshof (VfGH E2537/2021). Dabei ging es um Folgendes:

Die FMA hatte über eine Fondsgesellschaft eine Verwaltungsstrafe in Höhe von EUR 71.400 wegen zweier Verstöße gegen das InvFG 2011 verhängt. Nach erhobener Beschwerde stellte das BVwG das Strafverfahren hinsichtlich eines Verstoßes ein und reduzierte die Strafe für den zweiten Verstoß auf EUR 45.000. Mit der BVwG-Entscheidung tritt Rechtskraft der Entscheidung ein, auch wenn unter Umständen noch der Weg an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts offensteht. Es wäre also bereits zum „Naming and Shaming“ gekommen. Die Gesellschaft erhob Beschwerde an den VfGH, weil sie sich in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt sah und stellte unter anderem den Antrag, die aufschiebende Wirkung für das „Naming and Shaming“ zuzuerkennen, da diese Veröffentlichung einen unwiederbringlichen Reputationsschaden bedeuten und der Schutz des Kapitalmarktes kein zwingendes öffentliches Interesse darstellen würde. Die FMA brachte in der Beschwerdebeantwortung zwar vor, dass sie nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Veröffentlichung auch aufschieben, anonymisieren oder gänzlich davon absehen könnte, erläuterte aber nicht, ob sie im gegenständlichen Fall davon Gebrauch machen würde. Da die Gesellschaft nachvollziehbar darlegen konnte, warum die Veröffentlichung im konkreten Fall einen unwiederbringlichen Reputationsschaden nach sich ziehen würde und der FMA der Nachweis nicht gelang, warum es im öffentlichen Interesse jedenfalls geboten wäre, dass das angefochtene Erkenntnis sofort vollzogen werden muss, gab der VfGH dem Antrag auf aufschiebende Wirkung insoweit Folge, als er die Veröffentlichung der Identität der sanktionierten Person durch die FMA betraf. Dh die FMA muss mit dem „Naming and Shaming“ den Ausgang des verfassungsgerichtlichen Verfahrens abwarten.

Die Entscheidung zeigt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, neben der Strafe selbst auch gegen das „Naming and Shaming“ anzukämpfen. Die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Veröffentlichung können mitunter gravierend sein und im Gegensatz zum mittelalterlichen Pranger bleibt eine Veröffentlichung auf der FMA-Website für zumindest fünf Jahre online.

Mag. Valentina Treichl, BA

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