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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 3|2018

Der Leiter der Hauptversammlung

26. Februar 2018

In den letzten Jahren sind Fragen von Aktionären in Hauptversammlungen nicht nur deutlich mehr, sondern auch deutlich kritischer geworden. Entsprechend hat auch die Sitzungsleitung an Bedeutung gewonnen. Diese Aufgabe ist enorm anspruchsvoll und sollte keinesfalls unterschätzt werden. Die Sitzungsleitung ist unter Wahrung der Gleichbehandlung der Aktionäre, des Grundsatzes der Neutralität sowie der Verhältnismäßigkeit und Objektivität der Hauptversammlung wahrzunehmen. Das Thema in einem Newsletter abschließend darzustellen, ist unmöglich. Ein paar wichtige Fragen möchten wir hier aber kurz behandeln:

Wer leitet die Hauptversammlung?

Grundsätzlich der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder bei dessen Verhinderung der Stellvertreter des Vorsitzenden. Mit Annahme seiner Wahl trifft den Vorsitzenden zwar grundsätzlich eine Leitungspflicht, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht. Der Gesellschaft wird aber zum einen selten ein ersatzfähiger Schaden entstehen. Zum anderen ist auch anerkannt, dass es nicht pflichtwidrig ist, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende die Versammlungsleitung aus im Interesse der Gesellschaft liegenden Gründen ablehnt. Ein Beispiel: der ausländische Vorsitzende verfügt nicht über die nötigen Sprachkenntnisse oder Kenntnisse von Verfahrensvorschriften. Nach Lehrmeinungen soll es zudem zulässig sein, dass der Vorsitzende und sein Stellvertreter die Hauptversammlungen ganz generell abwechselnd leiten. Sind ausnahmsweise weder der Vorsitzende, noch sein Stellvertreter in der Hauptversammlung anwesend, ist aus dem Kreis der Anwesenden ein Versammlungsleiter zu wählen (bei börsenotierten Gesellschaften selten).

Wer ist zur Teilnahme an der Hauptversammlung berechtigt?

Aktionäre, die am Nachweisstichtag (record date) Aktionäre waren und sich – unter Vorlage einer Depotbestätigung – ordnungs- und fristgemäß angemeldet haben, sind in aller Regel zur Versammlung zuzulassen (Ausnahmen sind nur sehr eingeschränkt denkbar, etwa bei vorheriger Ankündigung von Störmaßnahmen oder bei Verweigerung üblicher Sicherheitskontrollen). Über die Zulassung entscheidet der Sitzungsleiter. Bei Ermessensentscheidungen – etwa über die Zulassung eines Aktionärs, der die Anmeldung versäumt hat – ist die Entscheidung der Hauptversammlung einzuholen.

Können Gäste zugelassen werden?

Nicht-Aktionäre wie z.B. Journalisten, Studierende der Rechtswissenschaften, Mitglieder von Aufsichtsbehörden oder Arbeitnehmer der Gesellschaft kann der Versammlungsleiter nach eigenem (gebundenem) Ermessen zur Hauptversammlung zulassen, wenn sich die Teilnahme nicht zum Nachteil der Gesellschaft auswirken kann (bei Publikumsgesellschaften eher zulässig als bei geschlossenen Gesellschaften).

Wie ist mit Anträgen von Aktionären umzugehen?

Ganz allgemein gilt: Liegen zu einem Tagesordnungspunkt mehrere Anträge vor, bestimmt der Sitzungsleiter die Reihenfolge, in der über die Anträge abgestimmt wird. Eindeutig rechtswidrige Anträge darf der Sitzungsleiter jedoch nicht zur Abstimmung zulassen. Ist eine eindeutige Beurteilung innerhalb der Versammlung nicht möglich, hat der Sitzungsleiter formell ordnungsgemäß gestellte Anträge jedenfalls zuzulassen. Handelt es sich bei einem Antrag eines Aktionärs nicht um einen Gegenantrag und ist dieser nicht von der Tagesordnung gedeckt, entscheidet der Versammlungsleiter darüber, ob er diesen zur Abstimmung zulässt. In Zusammenhang mit der Entlastung der Organe gestellte Anträge auf Bestellung eines Sonderprüfers sind zuzulassen. Über ein Misstrauensvotum gegen den Vorstand ist ohne vorherige Ankündigung in der Tagesordnung dagegen nicht abzustimmen; ebenso wenig über die Wahl eines besonderen Vertreters, um Ersatzansprüche gegenüber Organmitgliedern zu verfolgen.

Wie geht man mit irrelevanten Fragen um?

Der Versammlungsleiter kann die Erheblichkeit für die Beurteilung der Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung hinterfragen und die Beantwortung allenfalls ablehnen. Siehe dazu im Detail unseren Newsletter 2|2018.

Worauf ist bei Frage- und Rederecht sonst zu achten?

Hauptversammlungen sollten nicht zu sehr ausarten. Übt ein Aktionär sein Frage- oder Rederecht missbräuchlich aus, ist diesem das Wort zu entziehen und notfalls das Mikrofon abzudrehen. Beispiele: Nicht zur Tagesordnung gehörende, überlange politische oder gesellschaftliche Statements, beleidigende oder strafrechtlich relevante Äußerungen. Vernünftigerweise wird der Sitzungsleiter in solchen Fällen vor dem Wortentzug verwarnen/auffordern, zur Sache zu kommen. Im Hinblick auf die Vermeidung einer überlangen Dauer der Hauptversammlung können ganz allgemein sachgerechte Redezeitbeschränkungen vorgesehen werden.

Kann man Aktionäre von der weiteren Teilnahme ausschließen?

Nur unter sehr eingeschränkten Umständen. Unangenehme Eigenschaften, etwa provozierende Kleidung oder unangenehmer Körpergeruch, reichen dafür ebenso wenig wie gelegentliche Zwischenrufe oder das Entrollen von unangebrachten Transparenten. In Extremfällen, etwa völligem Entblößen, Bedrohen von Organmitgliedern oder deren Familien oder permanenten, einen störungsfreien Ablauf unmöglich machenden Zwischenrufen, kann der Sitzungsleiter jedoch – als ultima ratio, nach Androhung und unter Ermöglichung, einen Vertreter zu bevollmächtigen – einen Ausschluss verfügen. Die Grenzen sind im Detail umstritten; ungerechtfertigte Ausschlüsse berechtigen zur Anfechtung. Ich rate hier zu Zurückhaltung.

Mag. Gernot Wilfling

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