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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 6|2019

Das Revival des Schuldscheindarlehens

17. Oktober 2019

Als der kleine Stiefbruder vom Konsortialkredit lange Zeit nur belächelt, ist das Schuldscheindarlehen in den letzten Jahren erfolgreich aus dessen Schatten herausgetreten. Anhand der aktuellen Zahlen zeigt sich deutlich, dass das Schuldscheindarlehen längst kein deutsch-regionales Produkt mit niedrigem Volumen mehr ist. Belege dafür sind nicht zuletzt großvolumige Transaktionen wie von der ZF Friedrichshafen mit EUR 2,2 Milliarden oder der Rewe Group mit EUR 1 Milliarde.

Wenn ein Schuldscheindarlehen solch ein erfolgreiches Produkt ist, warum hat es sich erst in den letzten Jahren voll etabliert? Die Gründe reichen vom allgemein niedrigen Zinsumfeld in allen Kapitalmarktbereichen und somit auch bei Schuldscheindarlehen, der Möglichkeit zur Emanzipation der Unternehmen von den Hausbanken mittels Verbreiterung der Investorenbasis (gerade institutionelle Anleger wie Versicherer und Pensionskassen nehmen gern Schuldscheindarlehen als langfristige Investition in ihr Portfolio auf), niedrigen Kosten der Schuldscheinemission und Unabhängigkeit von unruhigen Kapitalmarktphasen.

Das Schuldscheindarlehen – gern als Mischform von Anleihe und Darlehen bezeichnet – ist rechtlich gesehen ein Darlehen. Während ursprünglich von den Investoren nur deutsches Recht als Vertragsrecht akzeptiert wurde, hat sich zwischenzeitlich auch die Anwendung des österreichischen Rechts am Markt etabliert. Die Dokumentation, bestehend aus dem eigentlichen Schuldscheindarlehensvertrag, dem Schuldschein sowie der Zahlstellenvereinbarung, ist schlanker und flexibler in der Verhandlung als die eines Konsortialkredites oder einer Unternehmensanleihe. Allerdings hat sich die Aufnahme von klassischen Zusicherungen wie die Negativverpflichtung, pari passu, Kontrollwechsel, Drittverzugsklausel und teilweise auch Financial Covenants etabliert. Im Gegensatz zu den Covenants einer Emission entfallen jedoch bei dem Schuldscheindarlehen die entsprechenden Publikationspflichten, da darlehensrelevante Informationen ausschließlich den aktuellen Darlehensgebern offengelegt werden. Weiters bedarf es für die Schuldscheinbegebung keines externen Ratings des Unternehmens, es erfolgt kein Listing und es ist keine Bilanzierung nach IAS notwendig, was zusammen mit der schlanken Dokumentation zu wesentlich geringeren Transaktionskosten als für einen Konsortialkredit oder eine Anleihe führt.

Gerade für mittelständische Unternehmen bietet das Schuldscheindarlehen die Flexibilität, ein Darlehen in mehreren Tranchen, in Form von verschiedenen Laufzeiten (üblich sind 3, 5, 7 oder 10 Jahre) und verschiedener Zinsvarianten (fixer, variabler Zins oder eine Mischform hieraus) aufzunehmen. Diese Auffächerung der verschiedenen Kreditvarianten bringt nicht zuletzt den Vorteil der Optimierung des eigenen Tilgungsprofils, wobei aktuell der Trend aufgrund des niedrigen Zinsumfelds stark zu den längeren Laufzeiten geht.

Besicherungen sind grundsätzlich nicht vorgesehen, vermehrt sieht man am Markt jedoch garantierte Schuldscheindarlehen sowie nachrangige Schuldscheindarlehen. Je nach anvisiertem Investorenumfeld kann sich eine englische Übersetzung der Dokumentation vorteilhaft auswirken, im Regelfall ist jedoch die gesamte Dokumentation deutsch.

Dass das Schuldscheindarlehen keine aktuelle Modeerscheinung ist, zeigt sich unter anderem daran, dass alle Banken fieberhaft an der Erstellung von digitalen Arrangierungs- und Abwicklungsplattformen für die Schuldscheinbegebung und -administration arbeiten. In Deutschland hat die LBBW bereits Blockchain-basierte Schuldscheindarlehen begeben, in Österreich konnte die Erste Group der ASFINAG zum ersten rein digitalen Schuldscheindarlehen verhelfen. Diese Entwicklung wird voraussichtlich die Transaktionskosten weiter senken.

Wir begleiten Sie gern rechtlich bei Ihren Schuldscheinemissionen und können auch Kontakte zu finanzierenden Banken für Sie herstellen.

Peggy Oberthür

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