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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 3|2022

Das öffentliche Angebot – Dreh- und Angelpunkt in der Kapitalmarktfinanzierung

1. April 2022

Wer Wertpapiere öffentlich anbietet, muss im Regelfall zuvor einen von der Finanzmarktaufsicht gebilligten Kapitalmarktprospekt veröffentlichen. Das Erstellen eines solchen Dokuments und das Billigungsverfahren bei der Aufsicht sind durchaus aufwendig. Dementsprechend kommt der Frage, was eigentlich genau ein öffentliches Angebot ist, im Kapitalmarktrecht große Bedeutung zu. Bei grundsätzlich zweifelsfrei prospektpflichtigen Angeboten stellt sich auch oft die Frage, was man eigentlich vor erfolgter Prospektbilligung zu einem geplanten Angebot bereits kommunizieren darf.

Der Begriff „öffentliches Angebot“ ist seit geraumer Zeit unverändert. Dennoch wird er immer stärker konturiert. So nimmt die Auslegung dieses Begriffs im neuen Rundschreiben der FMA zum Prospektrecht vom 23.12.2021 viel Raum ein; zudem gab es jüngst ein interessantes Urteil des EFTA-Gerichtshofs. Wir fassen die wesentlichen Erkenntnisse aus diesen beiden neuen Rechts- bzw Erkenntnisquellen nachfolgend für Sie zusammen.

Im Rundschreiben verweist die FMA einleitend auf die Legaldefinition aus der Prospekt-VO (für Wertpapiere) bzw dem KMG (für Veranlagungen), wonach ein öffentliches Angebot in der Verfügbarmachung von Information an ein Publikum besteht, die ausreichend ist, dass sich ein Anleger für den Kauf oder die Zeichnung von Wertpapieren oder Veranlagungen entscheiden kann. Daraus leitet die Aufsicht folgende Tatbestandsmerkmale ab:

  • Mitteilung: Eine Mitteilung iSd öffentlichen Angebots kann bekanntlich in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise erfolgen. Darunter können unter anderem Werbematerialien aller Art, Internetseiten, Webinare, Social Media-Beiträge, Informationen in Apps/Chats, Werbeeinschaltungen im Fernsehen, E-Mails, Anzeigen in Zeitungen, Informationsveranstaltungen (Vorträge, Messestände) aber auch persönliche bzw telefonische Kontaktaufnahmen fallen. Die Mitteilung muss aber, und das ist ganz wichtig, ausreichende Informationen beinhalten, um eine Kaufentscheidung tätigen zu können. Diese Vorgabe ist gemäß FMA jedenfalls dann erfüllt, wenn zumindest die wesentlichen Vertragsbestandteile bestimmt oder in bestimmbarer Weise enthalten sind. Dafür müssen laut FMA das Produkt, der Preis, der Emittent oder der Anbieter bzw die Zeichnungsmöglichkeit (essentialia negotii) bestimmbar enthalten sein. Dass die konkrete Zeichnungsmöglichkeit beschrieben ist, ist laut FMA nicht entscheidend; eine Anleitung, wie die angebotenen Wertpapiere/Veranlagungen erworben werden können, sei ausreichend.
  • Verkaufsabsicht: Die Aufsicht verlangt über Vorstehendes hinaus, dass aus einer Mitteilung eine (allenfalls auch zukünftige) Verkaufsabsicht erkennbar sein muss. Ein ausreichender Hinweis auf eine Zeichnungs- oder Kaufmöglichkeit dürfte aber bereits gegeben sein, wenn entweder Kontaktdaten angeführt werden oder in der Mitteilung verkaufsfördernde Formulierungen enthalten sind. Es geht hier um den „objektiven Eindruck einer Verkaufsabsicht“, der bei jeglicher Werbemaßnahme für ein Finanzinstrument wohl angenommen werden muss.
  • Publikum: Unter Publikum versteht die FMA eine Mehrzahl von Personen. Eine fixe, zahlenmäßige Abgrenzung (quantitative Komponente) erscheint der FMA nicht sinnvoll. Auch allgemeine Gruppen, wie etwa „nur Gesellschafter“ sind gemäß FMA vom Publikumsbegriff umfasst. Die Beweislast, dass an unter 150 Personen angeboten wurde, womit die für die Praxis wichtige „Private-Placement-Ausnahme“ von der Prospektpflicht greift, trägt laut FMA derjenige, der sich darauf beruft (also der Emittent oder allenfalls der Anbieter).

Eine für die Praxis wichtige Klarstellung enthält das FMA-Rundschreiben noch: Bei der sogenannten Reverse Solicitation (dh wenn der Kunde von sich aus mit Kaufwunsch auf den Emittenten zukommt) liegt kein öffentliches Angebot vor.

Diese Auslegungen sind wohl auch mit dem jüngsten Urteil des EFTA-Gerichtshofs in der RS E-10/20 in Einklang zu bringen (für EU-Mitgliedsstaaten wäre zwar der EuGH höchste Auslegungsinstanz von Unionsrecht, dieser tauscht sich aber mit dem – für sonstige EWR-Staaten zuständigen – EFTA-Gerichtshof aus und folgt ihm dann häufig, weshalb das Urteil auch für den EU-Raum Gewicht hat). Der EFTA-Gerichtshof bestätigt, was die FMA schon lange praktiziert und auch nicht unlogisch ist: Ein Angebot im Internet in einer für jeden frei zugänglichen Weise ist als Angebot gerichtet an eine unbegrenzte Zahl von Personen anzusehen und die 150 Personen-Grenze kann nicht durch die Verteilung auf mehrere Medien umgangen werden.

Konkret hatte der EFTA-Gerichtshof über Folgendes zu entscheiden: Ein liechtensteinisches Immobilienunternehmen hatte auf zwei Websites ihre Anleihe beworben. Die FMA Liechtenstein gelangte zu dem Schluss, dass in der Beschreibung der Anleihe auf einer Website die für die Anlageentscheidung relevanten Informationen (der Mindestanlagebetrag, die Laufzeit, der Zinssatz und die Nennung einer Kontaktstelle) genannt wurden. Daher ging die FMA Liechtenstein vom Vorliegen eines öffentlichen Angebots aus. Gegen die Untersagung des öffentlichen Angebots wurden vom Anleihe-Emittenten Rechtsmittel eingelegt. Die Rechtsmittelinstanz legte dem EFTA-Gerichtshof einige Fragen vor. Dieser bestätigte das Vorliegen eines öffentlichen Angebots. Der EFTA-Gerichtshof entschied dabei auch, dass die Aufnahme von Hinweisen, dass weitere Informationen an anderer Stelle eingeholt werden könnten, nichts an der Einstufung als „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ ändert, wenn die Mitteilung bereits ausreichende Informationen enthält.

Mag. Gernot Wilfling / Dr. Sebastian Sieder

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