MP-Law-Logo weiß

Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2021

Aufsichtsrat und Untreue

25. August 2021

In einer jüngeren Entscheidung hatte sich der OGH wieder einmal mit der Frage nach der „Untreue“ von Aufsichtsratsmitgliedern zu beschäftigen. Zur Erinnerung: Den diesbezüglichen Straftatbestand begeht, wer eine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Eine solche Befugnis kann, unter anderem, aus einer Organstellung bei einer Kapitalgesellschaft resultieren. Und die Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

In der Entscheidung ging es um Folgendes: Geschäftsführer einer GmbH hatten sich an die zwei angeklagten Aufsichtsratsmitglieder der Muttergesellschaft, einer AG, gewandt; dies mit der Bitte, die AG möge für die Bezahlung einer Rechnung einem (weiteren) Liquidationszuschuss an die GmbH über EUR 1,25 Millionen zustimmen. Die angeklagten Aufsichtsratsmitglieder antworteten mit „OK“, wobei ihnen klar war, dass eine Rückzahlung durch die Tochter-GmbH nicht erfolgen und der Betrag somit unwiederbringlich aus der AG abfließen würde.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten als unmittelbare Täter wegen Untreue. Der OGH hob den Schuldspruch auf und verwies die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Nach der Judikatur des Höchstgerichts sind Aufsichtsratsmitglieder (nur) dann unmittelbare Täter der Untreue, wenn der Aufsichtsrat in der fraglichen Angelegenheit eine selbständige Kompetenz zur außenwirksamen Vertretung der Gesellschaft hat (wie etwa beim Abschluss von Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern). Geht es (wie im gegenständlichen Fall) bloß um Geschäfte, die der Überwachungsbefugnis des Aufsichtsrats unterliegen oder allenfalls auch seiner Genehmigung bedürfen, besteht nämlich laut OGH keine ausreichende Befugnis, über fremdes Vermögen (also jenes der AG) zu verfügen. Die nach außen wirksame rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht hat hier vielmehr (nur) der Vorstand.

Die angeklagten Aufsichtsratsmitglieder sind damit freilich noch nicht aus dem Schneider. Sie könnten nämlich Beteiligungstäter nach §§ 12, 14 StGB sein. Dazu müssten sie es (weil Untreue ein Sonderdelikt ist) nicht nur für gewiss gehalten haben, dass der unmittelbare Täter objektiv die durch ihn eingeräumte Befugnis missbraucht, sondern auch, dass er dies (zumindest bedingt) vorsätzlich tut. Zum Befugnismissbrauch durch den Vorstand der AG als unmittelbarem Täter fehlten aber Feststellungen durch das Erstgericht, daher die Zurückverweisung.

Mag. Gernot Wilfling

Übersicht

Downloads

PDF