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Newsletter Capital Markets/Finance Issue 4|2017

Ad hoc-Pflicht bei Abschluss eines Memorandums of Understanding

14. Juni 2017

Der VwGH hat iS VERBUND kürzlich endgültig über die Ad hoc-Pflicht bei Abschluss eines Memorandums of Understanding entschieden (VwGH 27.4.2017, Ro 2016/02/0020). Während in der ersten diesbezüglichen VwGH-Entscheidung vor gut einem Jahr das Kriterium „genaue/präzise Information“ im Fokus stand (wir haben darüber im Newsletter Kapitalmarktrecht Issue 2|2016 berichtet), hatte der VwGH nun die Frage zu klären, ob der Abschluss des fraglichen Memorandums of Understanding als Zwischenschritt in einem zeitlich gestreckten Sachverhalt zur erheblichen Kursbeeinflussung geeignet war. Der VwGH bejahte dies und bestätigte die Strafen gegen die VERBUND-Vorstände.

Die Kernaussagen:

  1. Im Fall eines nicht bereits eingetretenen Ereignisses spielt der Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts bei der Beurteilung der Kursbeeinflussungseignung ebenso eine Rolle wie die möglichen Auswirkungen der Information in Betracht gezogen werden sollten. Letzteres soll „insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das entsprechende Finanzinstrument […] beeinflussen dürften“ erfolgen.
  2. Es kann daher laut VwGH nicht ausgeschlossen werden, dass eine Information über ein Ereignis, dessen Eintritt wenig wahrscheinlich ist, den Kurs spürbar beeinflusst, weil die Folgen besonders weitreichend wären. Weiters kann eine Information von einem verständigen Anleger laut Höchstgericht auch dann als Grundlage für seine Anlageentscheidung genutzt werden, wenn die Information nicht erlaubt, die Richtung der Kursänderung vorherzusehen.
  3. Nichts anderes soll auch im Fall eines (präzisen) Zwischenschritts gelten. Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung soll hier „freilich im Hinblick auf diesen Zwischenschritt eigenständig zu beurteilen“ sein. Ob das Endereignis bereits hinreichend wahrscheinlich eintreten werde, sei dabei nicht entscheidend.
  4. Vor diesem Hintergrund bestätigt der VwGH die Vorinstanz darin, „dass schon die Information über den Abschluss des MoU im Hinblick auf die damit in Aussicht gestellten gravierenden Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie [des VERBUNDs] kurserheblich gewesen sei und der verständige Anleger damit Dispositionen hätte treffen können, wenn ihm die Information über den ins Auge gefassten Asset Swap bzw. über den Beginn der konkreten Verhandlungen bekannt gegeben worden wäre.

Für die Praxis ist die Entscheidung zwar nicht erfreulich. Betrachtet man die Judikate von EuGH und VwGH der letzten Jahre, kommt sie aber nicht überraschend. In unserem Berateralltag werden wir in gestreckten Sachverhalten nun (noch) eindringlicher dazu raten, verstärkt mit Aufschüben zu arbeiten.

MAG. GERNOT WILFLING

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